Die « Abwahl » des Noch-Präsidenten Sarkozy und der hohe Stimmenanteil des Front National sind eigentlich der gegensätzliche Ausdruck dafür dass Frankreichs Wähler das Original der Kopie bevorzugen- die patriotistischen Reden des Präsidenten haben den Weg dahin bereitet! Dass Sarkozy als Zweitgewählter aus dieser Wahl hervorging ist noch nicht ein Sieg der Sozialisten. In den angekündigten Debatten, es sollen deren drei sein, hofft er vermutlich die Wähler des Front national zu überzeugen, dem Sozialisten wird damit eine Fussangel angelegt. Seine Rede dürfte eine schwierige Gratwanderung werden zwischen den Sanierungsbemühungen der öffentlichen Finanzen- von Sarkozy und seinen Vorgängern verschuldet-und den üblichen Schuldzuweisungen an die EU, der die Finanzkrise ja allzu gerne angelastet wird. Besorgniserregend ist allemal dass während der Wahlkampagne in Frankreich kaum der Blick auf die Probleme hingelenkt wurde die zur Zeit alle europäischen Mitgliedstaaten betreffen. Weder wurde das Thema Energieversorgung grenzüberschreitend gesehen, noch die Transportpolitik, oder CO2 Drosselung. Eine europäische Industriepolitik wird mit den Parolen aller Kandidaten schier unmöglich, dabei wäre der gemeinsame Antrieb von Innovation-2000 in Lissabon von den EU Staats und Regierungschefs als Strategie für das 21. Jahrhundert beschlossen- der beste Schub für die lahmende Konjunktur. Frankreich ist schliesslich keine Insel, scheint sich aber auf eine « splendid isolation » vorzubereiten. Alles in allem wäre eine Wahl des Sozialisten am 6. Mai noch das kleinere Übel. Er ist immerhin eingebunden in einer starken europäischen Partei, derweil man die PPE von Sarkozy nicht als solche ansehen kann.
Divers
Rumänien und Europa
Über Identität und Dialog der Kulturen wurde debattiert in der rumänischen Akademie in Bukarest. Die ehrwürdige Institution, durch die Gattin des Diktators etwas in Verruf geraten, öffnet sich zu dem offenen Dialog. Die unkonventionnelle Zusammensetzung der Redernerliste gab denn auch Gelegenheit zu einem sehr fruchtbaren Austausch. Für die Rumänen ist das Thema der kulturellen Identität ein heisses Eisen. Das tiefe Bewusstsein ihrer Vielfalt ist wohl in keinem EU Mitgliedsstaat so stark präsent als hier. Eigentlich kann man nicht global von « Rumänen » reden, wie es meistens geschieht, mit der Vokabel « rom » im Hinterkopf, sondern muss erst das Land und die Leute kennenlernen um sich ein Urteil zu bilden. Bukarest ist eine freundliche saubere Stadt geworden, noch viel alte Bausubstanz ist vorhanden. Leider gibt es auch schon einige Bausünden mit rücksichtslosem Einpflanzen moderner Hochhäuser neben historischer Bausubstanz…wie z.B. neben der katholischen Kathedrale im Zentrum der Stadt. Europäische Geschäftigkeit macht sich breit, alle grossen Modehäuser, Parfums, und Grosshandel haben das traditionnelle Angebot von handgewebten Teppichen und Stickereien verdrängt. Die Rumänen haben das Gefühl dass ihnen damit auch ein Stück Heimat verlorengeht. Das Verhältnis zur EU ist daher zwiespältig. Klar, die Mitgliedschaft hat viel gebracht, vor allem Freiheit. Dass inzwischen zwei Millionen Rumänen ausgewandert sind macht jedoch zu schaffen! Eine gutausgebildete Generation von Ärzten, Ingenieuren und Krankenpflegern verlässt das Land, wegen höherer Löhne, besserer Arbeitsbedingungen. Mit Sparprogrammen hat Rumänien es bisher ohne Hilfe geschafft seine Währung, den LEI auf Vordermann zu halten. Aber nicht rosig sieht es aus, da das Einsparpotenzial seine Grenzen erreicht hat und der Bevölkerung nicht weitere Belastungen zuzumuten sind. Allerdings werden europäische Zuwendungen knapp: die Verwaltung schafft es nicht die komplizierten Bewerbungen « brüsselkonform » rechtzeitig herzustellen, so dass die Fördergelder der Strukturfonds ungenutzt im EU Haushalt bleiben. Wie sie in Brüssel behandelt werden macht indessen den Verantwortlichen sehr zu schaffen. Erste Themen seien immer wieder Korruption und Menschenrechte, so als gäbe es nicht bedeutende Anstrengungen und auch ehrliche Menschen in Bukarest. Wiederum die Etiketten die pauschal auf ein ganzes Volk geklebt werden! Die Rumänen sind gastfreundliche Menschen und in Kultur macht kein anderer EU Mitgliedsstaat ihnen etwas vor!
Sprint in Frankreich
Eine spannende Wahlkampagne geht ihrem Ende zu. Wie werden die Franzosen entscheiden? Die Gegenüberstellung der Wahlmanifeste, der Reden und der Programme der Kandidaten gibt einige Hinweise. Auch im Alltäglichen sind die Franzosen ein politisch sehr interessiertes Volk, überall und über alles reden sie mit, haben eine eigene Meinung, sind schwer einzuordnen in Strömungen, und Charles de Gaulle hat schon gesagt dass es sehr schwierig sei ein Volk mit so vielen Käsesorten zu regieren. Diesmal ist es nicht nur die Wahl für Frankreich, es ist auch die Wahl für oder gegen Europa! Der Kandidat Sarkozy hat es auf den Punkt gebracht als er sagte:für Europa, um Frankreich besser zu dienen….Nur soviel Europa wie es den Franzosen von Nutzen sein kann, ansonsten ist man dagegen! Aber ganz so einfach ist es wohl nicht, denn mittlerweile sitzen besonders die Euroländer in einem Boot! Und da gibt es gewaltige Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten, auch zwischen den Parteien. Die Sozialisten sind nun mal als notorische Schuldenmacher bekannt, aber in Frankreich haben auch die Präsidenten der Mitte-rechts Regierungen den Schuldenberg nicht abgetragen! Ob nun die Methode der Deutschen in Frankreich anwendbar ist, das wäre die Rechnung ohne das Volk gemacht! Dort wo die Deutschen stramm stehen, und auch mal den Gürtel enger schnallen, gehen die Franzosen auf die Strasse, wollen Austerität anders verstehen als die Nachbarn jenseits des Rheins. Und da liegt der Hase im Pfeffer. Die Gründerväter der EU hatten wenig zu verteilen, es galt aufzubauen nach dem Krieg. Und derzeit gibt es auch -ausser Schulden- nicht mehr viel zu verteilen. Aber das zu erklären wäre ein gefährlicher Boomerang für jeden Präsidentschaftskandidaten.
Die Taliban und Andere….
Afghanistan, das gebeutelte Land, findet auch nach Abzug der westlichen Truppen keinen Frieden. Die Taliban haben mit terroristischen Methoden europäische Botschaften, das Parlament und die Standorte der Isaf , der Schutztruppen, angegriffen. Streiter einer Koranschule extremistischer Auslegung sind sie. Missachtung des Korans und Verbrennung einiger Bücher war der Anlass. Auch ohne aussenstehende Ursache ist Religionskrieg wieder an der Tagesordnung. Unter Muslimen. Syrien ist ein Brandherd und Pakistan. Saudi Arabiens Herrscher will alle christlichen Kirchen abreissen. Sunniten, Schiiten, Salafisten kämpfen um die Macht im mittleren Orient. Der Iran spielt dabei eine nicht unwichtige Rolle und die Türkei. Wieviele echte demokratische Staaten, aus dem arabischen Frühling hervorgehen ist noch ungewiss. Ob eine demokratische Wahl auch dazu geeignet ist vor religiösen Fanatikern zu schützen? Ist die islamische Welt etwa dort wo das christliche Europa im Mittelalter war, als es zwischen Katholiken und Protestanten erbitterte Machtkämpfe gab? Religion als Machtinstrument ist zweckentfremdet. Die grösste Errungenschaft der Aufklärung und der französischen Revolution ist eben diese! Die Macht der Religion ist- wie Christus gesagt hat- nicht von dieser Welt. In den Streit der Muslime unter sich nicht einzumischen wäre die einfachste westliche Haltung…. gäbe es da nicht die Interessen am Öl, an Bodenschätzen, an dem gehäuften Reichtum der Erdölscheichs! Da haben die demokratischen Verfechter der Menschenrechte nun ihre Glaubwürdigkeit verspielt. So sehr sie auch gegen die unter dem Vorwand des Glaubens praktizierten Diskriminierungen wettern, das Geld aus den Staatsfonds ist durchaus willkommen, haben doch nicht die Londoner City und alle Finanzplätze Europas mit Islamic Banking die Regeln der muslimischen Welt eingeführt.
Martin Schulz und das Europäische Parlament
Auf einer ganzen Seite in der FAZ hat der für zwei ein halb Jahre gewählte Präsident Präsident des EP plädiert, vor allem für sein Mitspracherecht im Rat…. Der frühere Fraktionsvorsitzende der europäischen Sozialisten, seit 2009, in Sozialdemokraten umbenannt, ist für seine freie Rede bekannt. Von ihm ist man gewohnt dass er zur Sache redet, ohne Umschweife, Tacheles! Dass er sich im EP manchmal wie der kleine Gernegross vorgekommen sein muss, rächt sich nun, da er als der Primus inter Pares am Tisch der wirklich Mächtigen in Europa mitsitzen darf. Und sitzen bleiben will, so kündigt er an, wenn über den Fiskalpakt geredet wird. Eine Sitzblockade ist demnach angesagt….. Das wäre für den Präsidenten höchstens die zusätzliche Information wer was gesagt hat, ohne dabei auf die üblichen Informationskanäle der Presse und der internen Information angewiesen zu sein. Mehr nicht, was zählt ist immer noch das Schriftliche. Der Präsident will aber mitdiskutieren, da fragt sich natürlich: in wessen Namen? Kann er für sich beanspruchen die Meinung aller MEPs zu vertreten…will er etwa auch die Euroskeptiker vertreten? Wenn er nun sitzt und sich einfach anhört was die 27 Minister sagen, und seine eigene Meinung ( nicht unbedingt deckungsgleich mit allen SDMeps)
verkündet, ist damit dem EP noch keine institutionnelle Aufwertung zugekommen, es kann höchstens für Martin Schulz Balsam auf die frustrierte Seele sein! Er täte besser daran an einer gründlichen Reform der Arbeitsweise des Parlamentes zu arbeiten.