So dürfte sich der europäische Ottonormalverbraucher fragen, sind es die Rating Agenturen, oder sind es die Politiker? Wieviel, oder wie wenig beide voneinander abhängig sind, das wird die künftige Entwicklung zeigen. Wie es so weit kommen konnte, dass die « Börsianer » die Politik derart überrumpelt haben, darüber gibt es bereits jetzt kluge Analysen. Aber auch die Finanzexperten vermögen nicht mit Wissen Vertrauen wiederherzustellen, und letztendlich geht es doch darum die verlorene Unschuld wiederzugewinnen. Waren alle blauäugig die dem Mythos der europäischen Einigung vertrauten? Oder wurde das gemeinsame Unternehmen überfrachtet? Wäre denn eine Alternative zum Plan Robert Schumans, sprich eine militärische Nachkriegsorganisation, die bessere Lösung gewesen?Woran ist denn schliesslich das Modell gescheitert? Denn auch wenn man noch hoffen darf, dass Schlimmeres verhindert werden kann, schönreden kann sich die EU jetzt nicht mehr. Unter den vielen Analysen mutet es wie Spott an wenn da einer schreibt, man habe die Verschiedenheit unterschätzt! Und recht hat er dabei, denn so kam es dass der gemeinsame Markt, sprich der Wettbewerb, die Logik der gegenseitigen Überwachung und Kontrolle der Handelsbedingungen, die so schmählich veruntreute Seele Europas untergraben hat. Erklärt man die Regulierung der Gurkenkrümme anhand der Wettbewerbsregeln, so versteht der Europäer zwar die Mechanismen, und schüttelt doch wohl verständnislos den Kopf, denn: das hat niemand gewollt, oder? Was sich am Beispiel von Gurken oder Bananen zum Paroxismus anführen lässt( von der Kommission übrigens ausser Kraft gesetzt), wird komplizierter, wenn es um Geld und Finanzen geht. Und doch ist es (fast) das gleiche, ausser dass hier nicht reguliert wurde, jetzt aber viele Sachverständige die Regulierung herbeiwünschen, nachdem mit den bestehenden freiheitlichen Mechanismen Schindluder getrieben worden ist. Da ist ob sie es will oder nicht die Politik gefordert. Da kann nur die beste Führungskraft das Steuer fest in die Hand nehmen und die Rating Agenturen in ihre Schranken verweisen. Unweigerlich ist da die deutsche Kanzlerin ganz besonders gefordert diesmal nicht nur deutsche Interessen zu verteidigen sondern gesamt-europäische, die letztlich auch Schaden von Deutschland abwenden könnten.
Divers
Demokratie in Tunesien?
Zu einer Rede in der Assemblée nationale war der tunesische Präsident Marzouki eingeladen. Das ist an sich ein ungewöhnlicher Vorgang, da nicht jeder zu Wort kommt, und ausserdem die Tagesordnung der französischen Parlamentarier die Zustimmung der Regierung braucht….. Letzter ausländischer Besucher war 2006 der EU Kommissionspräsident Barroso. Wohl hat Sarkozy viele Besucher empfangen, so den lybischen Diktator Kadhafi, der auf der Champs Elysee zelten durfte, das Parlament hat er offiziell nicht eingebunden.Hollande macht es anders. Der neue Präsident Tunesiens war denn nun der erste Besucher, sehr umstritten, da lediglich der Chef einer kleinen Partei die mit einer Islamistengruppe taktiere, so schimpften die Abgeordneten der Rechten, die denn auch mit ihren Koryphäen dem Plenum fern blieben. Dem entgegneten die Linken, es gelte schliesslich einem demokratisch gewählten Vertreter des tunesischen Volkes die Aufwartung zu machen. Tunesien hat in der Volksbewegung der arabischen Nationen eine Vorreiterrolle gespielt. Schlussendlich waren auch die Verbindungen Frankreichs mit dem Diktator Ben Ali, der noch die Verteidigungsministerin Michele Alliot-Marie zu einem Weihnachtsurlaub eingeladen hatte, ins schiefe Licht geraten. Gespannt dürften alle politischen Beobachter gewesen sein was die Rede denn inhaltlich zu bieten habe. Zu den gemachten Vorwürfen dass eine islamische Partei nun das Sagen habe, entgegnete er dass es schliesslich auch anderswo in Europa christ-demokratische Parteien gäbe, eine islamisch-demokratische Partei sei demnach nicht Zeichen dafür dass das Rad der Geschichte in Tunesien zurückgedreht werde. Zum andern verlangte er Unterstützung Frankreichs bei der Rückforderung des Besitzes des Diktators. Für seine Schulden werde er nicht aufkommen! Wahrscheinlich war das ein Hinweis auf französische Waffenlieferungen an den Diktator… Noch hat sich Tunesien nicht stabilisiert, die stärkste Partei mit 90 Sitzen im Parlament ist Ennahda, eine Partei gläubiger Muslime, die, wie ehedem die C Parteien ihr Gedankengut verteidigt. Kleinere Splittergruppen zeugen vom komplexen Aufbau der jungen Demokratie. Tunesien hat es geschafft, nach langem Tauziehen aus dem Resultat demokratischer Wahlen die nicht angefochten wurden, eine Regierung nach europäischem Muster zu bilden. Ob sie lange überdauert ist die Frage….
Rumänien und die Demokratie
In die Schlagzeilen ist der Ministerpräsident geraten, nachdem er sich gegen das Staatsoberhaupt stellte und ein « Amtsenthebungsverfahren » einleitete. Basescu hatte ein solches Verfahren im vorgeschriebenen Referendum bereits einmal gewonnen: Wahlbeteiligung 44%, eine Mehrheit von 79% hielt ihn an der Macht. Ursprung des rumänischen Pokerspiels ist das fragile Gleichgewicht zwischen den grossen Parteien, Sozialisten einerseits und PDL, der europäischen PPE zugehörig andererseits. Daneben eine Vielfalt von kleinen Parteien, Minderheitenvertretungen, die manchmal das Zünglein an der Wage sind zur Bildung einer stabilen Mehrheit im Parlament. In beiden Lagern sind altgediente Securitate Mitglieder keine Seltenheit, die rumänische Revolution hat sozusagen (noch) nicht stattgefunden. Dass es vorrangig um Korruption geht steht ausser Frage, wie die an die EU gemachten Zusagen durchgeführt werden hat allerdings auch mit der impulsiven orientalischen Führung zu tun. Noch unter Ministerpräsident Boc hat sich die parlamentarische Mehrheit verändert: Überläufer veränderten das Kräfteverhältnis im Parlament! Demokratische Wahlen hätten vielleicht verhindern können dass demokratische Spielregeln in ihr Gegenteil verändert wurden. Stimmenkauf könnte man es nennen, aber den Regeln der Verfassung entsprechend war es nicht anzufechten. Korruptionsvorwürfe betreffen die Gallionsfiguren beider Lager. Das Staatsoberhaupt ist eben auch kein unbeschriebenes Blatt, und der amtierende Ministerpräsident hat seine Doktorarbeit anscheinend abgeschrieben. Zu jung ist er zwar um im Spitzeldienst eine Rolle gespielt zu haben, dafür aber Ziehsohn von Adrian Nastase, der kürzlich auf spektakuläre Art und Weise festgenommen wurde-der Korruption überführt-, einem Selbstmordanschlag entging, es sei denn der Beweis wird auch erbracht dass er selbst abgedrückt hat! Mit Unbehagen ist festzustellen dass weder die europäischen Sozialdemokraten noch die PPE erfolgreich die Struktur der Parteien in Rumänien beeinflussen konnten! Die Einmischung der EU kann nicht erfolgen ohne die echten Hintergründe zu erforschen, und damit begibt sich der Aussenstehende in ein Dschungel von Fakten und Widersprüchen. Dass Demokratie und politische Stabilität auch in Rumänien möglich ist hat vor einem Monat der Bürgermeister Sibius (Hermannstadt) Klaus Johannis bewiesen. Er wurde mit einer überwältigenden Mehrheit als deutschsprachiger rumänischer Bürgermeister wiedergewählt nach mehr als fünfzehnjäriger Amtszeit!
Juncker macht weiter…
Personalfragen sind immer auch politische Angelegenheiten, zumal da in der EU die Postenbesetzung nicht immer nach eindeutigen Qualitätskriterien gehandhabt wird. Auch daran misst sich wie weit wir noch von einer echten politischen Union entfernt sind. Das Gepoker um den Vertreter in der Zentralbank und den Präsidenten der Eurogruppe entstand auch aus dem Länderproporz, d.h. ein kleines Land wie Luxemburg an zwei wichtigen Posten – sogar dann wenn die fachliche Qualifikation von Mersch und Juncker unumstritten war- war eben zuviel! Nun kam doch eine Einigung, Juncker hat darauf bestanden dass die Ernennung von Mersch nicht durch seine eigene Verlängerung als Chef der Euroländer in Frage zu stellen sei und dann haben sich auch Deutschland und Spanien damit abgefunden. Endgültig ist die Kuh aber noch nicht vom Eis: nach einer Übergangszeit will Juncker gehen, sagt er, Dementis gibt es aus Paris wegen der in der deutschen Presse gemachten Ankündigung der Vorsitz der Eurogruppe werde erst von Deutschland, dann von Frankreich besetzt. Nun ist wahrhaftig unter den aktuellen Bedingungen dieser Vorsitz keine « partie de plaisir ». Daher soll es in Zukunft ein richtiger Chefposten werden, mit einer Verwaltung! Wie die allerdings einzureihen ist in die bestehenden Ämter scheint vorerst noch ungeklärt, da der Eurogruppenchef zur Zeit vorrangig Krisenmanager ist. In Zukunft wird er Schuldenmanager sein müssen, und das auf Langzeit angelegte Milliardenhilfsprogramm überwachen. Der Posten wird kaum viele Lorbeeren bringen, verlangt aber einiges Fingerspitzengefühl und solide Sachkenntnis. Dass Junckers Vorschläge seiner Zeit voraus waren, dürfte die Geschichtschronik beweisen, allerdings auch dass Merkozy ihm dabei die Gefolgschaft versagten.
Acta ad acta?
Eine breite Mehrheit des europäischen Parlaqmentes stimmte gegen das Abkommen, die konservative EVP enthielt sich der Stimme, die frühere französische Justizministerin, MEP Rachida Dati drückte versehentlich den falschen Knopf und stimmte dagegen, statt sich zu enthalten! Eine Zufallsmehrheit war es allerdings nicht, die Abgeordneten waren durch intensivste Bearbeitung der Anti-Acta Lobby auf « dagegen » eingestimmt. Fragt man über Détails nach, wissen wohl die wenigsten dass es nicht nur um die Freiheit des Bürgers im Netz ging, sondern auch um Autorenrechte und Bestrafung vom Klau geistigen Eigentums. Das Abkommen war unterschrieben von vielen Ministern und die Kommission stand hinter dem Text. Aber nicht zum ersten Mal hat sich das EP profiliert, zumal wenn starke öffentliche Einflussnahme dahinter steht, als Schiedsrichter. Ob der Text verbesserungsfähig gewesen wäre und im Tauziehen mit der Kommission ein Kompromiss drin war, erfährt die Öffentlichkeit nicht aus den Schlagzeilen. Das ist die Feinarbeit in den Brüsseler Gängen, wo es schon darauf ankommt wer die Berichterstatter für die Fraktionen sind. Der zuständige Kommissar Karel de Gucht ist derzeit in Sorge wie er schliesslich verhindern kann dass dem europäischen Markt viel Geld verloren geht wenn auf anderen Kontinenten Gedankengut aus der EU schamlos kopiert wird. Das reicht von Medikamenten bis zu den Nobelmarken im Kleidungsbereich, betrifft aber auch Musik im Netz… Vermutlich war das Schiff überladen, allemal haben allerdings die Regierungsvertreter die das Abkommen unterschrieben haben das Kleingedruckte nicht gelesen! Acta wird wohl wiederkommen, in einzelnen sektoriellen Verträgen, oder durch Klagen vor dem Eugh.