sind die Europäer geworden, der Preis geht allerdings an die EU. Damit ist die Streitfrage auch schon aufgetaucht: Wer ist das, die EU, wer vertritt sie, und wen werden die Brüsseler nun nach Norwegen entsenden um den Preis entgegen zu nehmen. Die vor der Weltpresse geäusserte Freude und Zufriedenheit der Mandatäre von Kommission, Parlament und Rat ist berechtigt: das Norveger Komitee hat damit in Erinnerung gerufen dass die Gründung der EU ein Friedenswerk war. Den vielen Wortmeldungen des Tages ist der Freude und dem Stolz über die Verleihung auch die Unsicherheit anzumerken, die Konkurrenz unter den Institutionen und ihren Vertretern lässt sich kaum verbergen. Meilenweit entfernt sind sie vom Gedankengut des Gründervaters Robert Schuman, dessen Bescheidenheit sprichwörtlich war. ER hätte vermutlich eine Presseerklärung erst später abgegeben, ER hätte sich nicht vorgedrängt, ER hätte das richtige Symbol in der Ehrung gesehen und hätte wahrscheinlich sofort an seinem Schreibtisch einen Zukunftsplan in Auftrag gegeben. Denn ob 500 Millionen Europäer derzeit in Frieden miteinander zusammenleben , wie sehr sie sich auch als Europäer fühlen, ist eine Frage. Die Aufgabe der nächsten Jahrzehnte wird es sein die Menschen zusammenzuführen, nachdem die Staaten die Verträge abgeschlossen haben. Vorerst wird die EU als Krisenherd verstanden. Ob sich der Streit um die wirtschaftliche Zukunft friedlich löst, oder aber ein Auseinanderbrechen der 17 Eurostaaten bevorsteht, hängt wieder von dem grössten Mitgliedsland, Deutschland ab. Die Freude über den Nobelpreis, als Würdigung der Gründerväter ist berechtigt, um die Ehre müssen sich die jetzigen Machthaber erst noch verdient machen.
Divers
Waffenhersteller und Arbeitsplätze…
Sie pockern, die deutschen und britischen Grosskonzerne der Waffenhersteller. Ob es zur Fusion kommt dürfte sich in den nächsten Tagen klären. Skurril scheint jedoch die Überlegung dass sich die Leiter der deutschen EADS plötzlich sorgen um die Arbeitsplätze die verlorengingen, im Falle einer Fusion. Anders herum gibt auch die Politik öffentlich zu dass das Geschäft mit Waffen in der Tat nur knallhartes Kalkül ist, das Devisen einbringt, Arbeitsplätze schafft und andere Kontinente so aufrüstet dass der Krieg kein Ende hat. Das Bibelwort der Pflugscharen statt Waffen hat sich im « christlichen » Europa eben nicht durchgesetzt. Dort wo Profite einzuheimsen sind, hört die Moral auf. Das ist weltweit so, allerdings hatte die EU der Gründerväter angesetzt die Waffenproduktion unter Kontrolle zu bekommen. Vergessen ist fast schon dass die WEU, die westeuropäische Union zeitgleich mit dem Europarat gegründet wurde und einer ihrer Objektive war, die Waffenproduktion der Mitgliedsländer zu koordinieren…was ihr eben nicht gelang. Erst kürzlich wurde die parlamentarische Versammlung der WEU abgeschafft, ziemlich sang und klanglos, denn wozu eine Organisation auf Sparflamme erhalten, wenn das Ziel nicht erreicht wird. Dass sich nun Mitgliedstaaten der EU offen dazu bekennen dass jeder für sich ein eigenes egoistisches Interesse an der Waffenproduktion und an dem Handel hat, müsste zu Gegenreaktionen aufrufen. Wo bleibt die empörte Öffentlichkeit die solche zwielichtige Sprache entlarven könnte? Vermutlich hat auch der deutsche Kanzlerbesuch in Athen das Thema deutsche Waffenlieferungen an Griechenland nicht ausser acht gelassen, allerdings darüber wird in Presseberichten wohl nicht geschrieben!
Deutsche Weitsicht für Europa
Auch Deutschland bekennt sich zu der EU. Anlässlich der Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit forderte der Präsident des Bundestages zu mehr Begeisterung für Europa auf. Er erinnerte an die europäische Dimension von Deutschlands Wiedervereinigung. Eine echt europäische Festtagsrede, auch vom Bundespräsidenten und der Kanzlerin. Europapolitik ist allerdings auch Kleinarbeit, das Bohren dicker Bretter. Es wäre sicher hilfreich wenn Norbert Lammert im Alltagsgeschäft seine geäusserte Europabegeisterung nicht vergässe, denn seine lauthals geäusserten Vorbehalte vor der Abstimmung der Krisenmechanismen haben doch den deutschen Bürgen den Schrecken eingejagt! Nun ist eine europafreundliche Feiertagsrede wohl wichtig, allerdings die echten Resultate liegen im tagtäglichen Einsatz. Dass da der deutsche Bundestag in seiner Vorreiterrolle für alle anderen nationalen Parlamente eine wichtige Rolle spielt steht ausser Frage. Und eben die Sprache des Bundestagspräsidenten hat im Kreis der Präsidenten der nationalen Parlamente Beispielfunktion. Was dort gesagt wird entlädt sich in den 27 Mitgliedstaaten. Könnte die Feiertagsstimmung andauern, Lammert wäre ein wichtiger Vorreiter um die abzustimmenden Krisenmechanismen unter Dach und Fach zu bringen. Leider muss befürchtet werden dass die Hochzeitstimmung nicht mehr andauert, und dort der Präsident eher als Europaskeptiker wahrgenommen wird!
Frankreich stimmt dafür
Ausser einigen zögerlichen Sozialisten und den altbekannten Europakritikern haben die französischen Sozialisten die neuen Finanzregeln aus Brüssel abgestimmt. Schon einen Kommentar wert, waren es doch einige Prominente aus ihren Reihen die damals, als es 2004 um die neue europäische Verfassung ging, dagegen mobilisierten! Unter ihnen der jetzige Aussenminister Fabius, dessen Rolle als ehemaliger Präsident der Nationalversammlung unter Mitterand umso bedauerlicher war, da er in seiner Funktion durchaus für bessere europäische Information im französischen Parlament hätte sorgen können. Nun hat sich das Blatt gewendet: in Europa sei Frankreich grösser als allein, sagte Premierminister Ayrault. Ein weises Wort, diametral entgegengesetzt der einstigen Grandeur aus de Gaulle’s Zeiten, die Sarkozy vergeblich versucht hatte wieder aufleben zu lassen. Demnach, neue Bescheidenheit der französischen Sozialisten? Wohl kaum, allerdings in der Not frisst der Teufel Fliegen: über kurz oder lang könnte der französische Schuldenberg zu einem unangenehmen Thema heranwachsen. Dann wären Rettungsschirm und Finanzmechanismen ein willkommener Unterschlupf. Und wenn gar die Einsicht dazu gewonnen würde, dass mit der Verfassung, der von allen andern, ausser Frankreich und den Niederlanden, zugestimmt worden war, Europa einige Probleme weniger hätte, nämlich nur 18 Kommissare, einen ständigen direkt gewählten Präsidenten, eine starke Kommission, wäre immerhin ein Fortschritt im Bekenntnis zu Europa erreicht. Weitsicht lässt sich eben nicht mit Populismus paaren. Die Erklärung weshalb erst in einem Jahrzehnt Resultate sich zeigen, dürfte kaum genügen das Wahlvolk zu überzeugen.
Die deutsche Einheit.
An diesem Tag ist es wohl angebracht etwas rückblickend auf die deutsche Geschichte die Rolle dieses « neuen Deutschlands » in Europa zu belichten. Denn die Stimme Deutschlands ist wohl in der EU die wichtigste und mächtigste zugleich: niemand möchte sich dem Zorn deutscher Politiker aussetzen, und schon gar nicht auf gute Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft verzichten. Dies ist denn auch die Erklärung weshalb es bisher keinen Zusammenschluss der « kleinen » EU Mitgliedstaaten gibt, etwa um anderen Kleinstaaten zu Hilfe zu eilen. Aber so läuft das Geschäft nicht, im Ministerrat sitzen alle an demselben Tisch! Wer verletzend argumentiert wird irgendwann daran erinnert, auch Politiker sind nur Menschen und müssen vor ihrer Öffentlichkeit gerade stehen. Die deutsche Einheit kam zustande nachdem die Franzosen einverstanden waren. Die gemeinsame Währung sollte verhindern, was letztendlich der Beweggrund Robert Schumans war die Gemeinschaft für Kohle und Stahl nämlich zu verhindern dass ein wirtschaftlich überragendes Deutschland wiederum den Frieden auf dem Kontinent gefährden könnte. Nun sind noch die Soldaten nicht gekommen – ein deutscher Politiker hatte eine solche Perspektive einmal gegenüber Luxemburg geäussert – aber ist nicht schon wieder Krieg? Die Demonstranten in Athen und Madrid können auch Deutschland nicht unberührt lassen. Welches Deutschland würde denn gebraucht? Eine Diplomatenfrage, je nachdem von wem sie beantwortet wird! Wäre die Stimme Deutschland ein klares Bekenntnis zu einer europäischen Solidarunion gewesen, hätte Deutschland als geeintes Land, mit der grössten Wirtschaftskapazität in der EU die Einigung der Staaten resolut vorangetrieben, viel Zeit wäre gewonnen geworden. Hätte bereits zu Anfang der Finanzkrise 2008 eine solche deutsche Grundhaltung ihr Gewicht in die Debatten eingebracht, manches Debakel hätte verhindert werden können. Die Stimme des geeinten Deutschlands klingt aber nicht nach Solidaritätsbeweis für Mitgliedstaaten in Not, sondern eher als Bewahrung der eigenen Besitzstände! Dem Kanzler der Einheit, Helmut Kohl wurde zu recht ein Denkmal gesetzt. Der Kanzlerin wird die europäische Öffentlichkeit mangelhaftes Bekenntnis zu echt europäischem Denken nachsagen.