Lüttich, Liège, mit mehreren Stahlkochern ist zur Zeit auf der Liste der Schliessungen des Konzerns. Stahl, einst Reichtum dieser Region, nach dem Ende der Kohleförderung und vorangegangenen Zusammenschlüssen mit Sidmar, Cockerill und anderen, nachdem vor 30 Jahren die belgische Regierung 51 Mia Altlasten übernahm und neue 5 Mia (belgische Franken) in die Sanierung pumpte, erleidet dasselbe Schicksal wie im französischen Florange. Der neue Konzernchef Mittal räumt gehörig auf: ihn hält keine Regierung auf. So macht man Geschäfte und wird Milliardär! Bedauerlich ist allemal dass die von tüchtigen Köpfen der Vorgängergeneration im Stahlbereich geschaffene Innovation, Erfindung neuer Produkte und Verbesserung der Produktionskapazitäten aufgehört hat. Während die letzten Jahrzehnte des 20. Jhdts gekennzeichnet waren von technischer Innovation, die neue Märkte erschlossen, wurde weder in neue Erfindungen, noch in die Erneuerung der Anlagen seit der Übernahme durch die Grosskapitalisten investiert. Die Werke dümpelten dahin, manche als Industriedenkmäler erhalten, andere dem Geschäftssinn der Schrotthändler geweiht! Auch in Belgien werden sich die Gewerkschaften wehren, sie die einst verschrien waren als diejenigen die manchen Konkurs in Wallonien verschuldet hätten. Viel wird es wohl nicht nutzen, einige Tausend Arbeitsplätze stehen wieder auf der Kippe, in einer Region die schon gekennzeichnet ist von vererbter Arbeitslosigkeit. Europaweit ist damit ein weiteres Zeichen der Desindustrialisierung gesetzt! Nachdem europäischer Stahl in den Hochbauten der USA gang und gäbe war, ist es damit jetzt vorbei. In Alternativprodukte hat sich die europäische Industrie nicht so weit vorgewagt, dass Ersatzprodukte auf den Markt kämen. Mit den Stahlwerken schwindet auch der emotionale Kern der Gründerjahre der EU. An seine Stelle tritt Skepsis, mangelnde Solidarität und der Spaltpilz der gute Konjunktur hat.
Divers
Cameron und die Insulaner
Wer es vorher nicht wusste, der hat mit der Rede des britischen Premierministers erfahren was die Europäer längst gewusst haben müssten: der kulturelle Unterschied zwischen dem Vereinigten Königreich und dem europäischen Festland ist gewaltig. Nicht nur dass die Insel ein Imperium war, eine Seefahrernation mit Tradition und hoher Kultur, die Briten sind ein Volk mit zähem Durchhaltevermögen. Keine Kuscheleuropäer, verhätschelt durch grosszügige Sozialsysteme. Die Briten sind hart arbeitende Menschen mit der Angewohnheit sich nicht zu beklagen, weitermachen, die Zähne zusammenbeissen und voran! So haben sie den Kontinent von den Nazis befreit, nachdem die Festlandbrigaden kaum Widerstand leisteten und nicht vorbereitet waren auf das Kriegsgeschehen. Natürlich waren in der Vorkriegszeit schwache Politiker auf der Insel mitverantwortlich dafür dass Hitler überhaupt an die Macht kam. Chamberlain hat letztlich auch den zweiten Weltkrieg mitverschuldet, er ist ein Vorgänger Camerons…. Gemeinsam haben beide schliesslich dass zu Zeiten des Katzenliebhabers Chamberlain das Imperium zerfiel und britische Einflussgebiete zerschmolzen, (manche sind heute EU Mitglieder und noch immer wie Zypern, leidend unter dem wenig weitsichtigen Abzug der Briten), und Cameron das friedliche Zusammenwachsen Europas zur Disposition stellt. Sogar auf der Insel konnten kulturelle Probleme bisher nicht gelöst werden: Nordirland ist weiterhin ein Ort des Kulturkampfes. Was wäre wenn die Briten die EU wirklich verliessen? 73 Abgeordnete weniger, 1100 britische EU Beamten, viele auf der obersten Karriereleiter. Der Hintergrund der Rede sei gewesen die Euroskeptiker à la Farage zu überholen! Sollte dies der wahre Beweggrund sein, hätten nicht die Briten den Antrag zu stellen sondern die andern Mitgliedstaaten. Wes Geistes Kind diese sind wurde auf der ersten Webseite des Euroskeptikers Roger Helmer deutlich: er liess sich in Waterloo ablichten!
Elysee Vertrag
Heute feiern sie, die Franzosen und die Deutschen. Es war die Stunde der Präsidenten, schwierig allemal auch in der jüngeren Vergangenheit grosse Momente aufzuzeichnen. Merkozy haben nicht den besten Eindruck hinterlassen, in der Krise um Griechenland wenig konkreten europäischen Mut, sie waren öfters die Bremser als der Motor, als den ja die deutsch-französische Zusammenarbeit beschrieben wird. Ein Franzose, Präsident Giscard d’Estaing war Vorsitzender des Konvent, der Versammlung welche die EU zu einem Verfassungsvertrag überzeugen sollte: der Vorschlag war ein guter Versuch, aber im eigenen Land wurde dagegen gestimmt. Ein Motor mit zwei Rückwärtsgängen demnach? Es wird mithin wohl noch eine Generation dauern bis die deutsch-französische Freundschaft die Begeisterung der Gründerjahre wiederfindet. Unvergesslich sind im Rückblick die Umarmung de Gaulles und Adenauers, der Händedruck Kohls und Mitterands in Compiègne, die Küsschen Merkozy’s haben dagegen karikaturalen Wert. An der Haltung in ernsten Angelegenheit erkennt man was leere Worte sind und was Ausdruck einer untrüglichen Gemeinsamkeit. Am 50. Jahrestag hätte man ganz gewiss mehr Unterstützung für Frankreich im Kampf gegen die Terroristen in Mali erwartet, so wie in der europäischen Aussenpolitik vom franco-allemand wenig Konsequenz zu vermelden ist. Nicht ohne Hintergedanken konnte daher die glücklose Britin auf diesen Posten genannt werden. Dort wo es wichtig wäre scheint der Freundschaftspakt nicht unbedingt zu greifen, nämlich dort wo es um Gesamteuropas Interessen geht.
Der Nachfolger
für die Eurogruppe soll der Holländer Jeroen Dijsselbloem werden. So kommt an diesem Montag die Karriere Junckers an ihrem Wendepunkt an. Seine freie Entscheidung war es den Posten niederzulegen, nach den stürmischen Jahren der Finanzkrise, während der es recht wenig standhafte « Freunde » an seiner Seite gab. Ohnehin gibt es in der Politik den Begriff des Freundes nur in bedingter Form, und trotzdem: manch grosse Errungenschaften lassen sich nachzeichnen anhand persönlicher Beziehungen zwischen Menschen. Wie im gewöhnlichen Leben, so ist es auch an den Schalthebeln der Macht! Um die Einführung des Euro gab es Kohl-Mitterand, aber auch Juncker-Waigel. Alle grossen Chefs brauchen schliesslich die « Macher », um das Feingedruckte nachher in den Verträgen im Einklang mit ihren Entscheidungen wiederzufinden. Dem Nachfolger wird bereits jetzt nachgesagt, nicht er sondern seine Nationalität seien Beweggrund der Wahl. Der flotte junge und dynamische Politiker wird demnach schon, als einem kleineren Staat zugehörig, abschätzig behandelt, noch bevor er eine Gelegenheit hatte sich vorzustellen. Zur Nationalität sollte man die Holländer…oder heisst es besser Niederländer?…nicht unterschätzen. Ein Volk das dem Meer jährlich Land abgotzelt und in der Agrarwirtschaft im Export alle anderen europäischen Nationen anführt, wobei das bebaubare Land doch extrem knapp ist, sollte man ernsthaft nach seinen Fähigkeiten beachten. Die Holländer wissen genau was harte Arbeit bedeutet, zäh in der Sache, kompetent wenn es ums Eingemachte geht, und eben von einer wohltuenden Unbefangenheit. Ein Finanzminister der von Berufs wegen Agrarökonom ist weiss schliesslich auch wie gewirtschaftet und gehaushaltet wird.
Um Juncker gibt es derzeit viele Spekulationen. Ob er ein anderes Amt im Blickfeld habe, wie seine europäische Zukunft aussehe…vorerst ist er Premierminister zuhause und hat angekündigt dass er auch wieder bei den nächsten nationalen Wahlen 2014 in Luxemburg antritt, er habe Lust zum Weitermachen. Dass es soviel im Grossherzogtum zu tun gibt sollte ihm diese Lust nicht verderben…
Dachschaden in Brüssel
zwingt das Europäische Parlament seit September 2012 vorerst in Strasburg zu tagen…Nachdem der EGH sein Urteil fällte über die Sitzfrage dürfte die Initiative vom Präsidenten Martin Schulz den « Wanderzirkus » zu beenden und alle Plenarsitzungen in Brüssel abzuhalten demnach wenig fruchten. Mit dem Riss in einem Balken des Brüsseler Plenarsaals kam das bauliche Problem dem Präsidenten zu Hilfe, ohnehin darf niemand mehr den Plenarsaal betreten, alle Büros wurden geräumt. Dass damit die leidige Diskussion um die Sitzfrage vorerst auf Eis liegt und nach den Europawahlen 2014 wieder aufflammt ist ohne Zweifel. Auch die zwingendste Aktualität hällt die Ehrenwerten nicht davon ab, sich auch um die Probleme der eigenen Institution zu kümmern. Nichts Spektakuläres gibt es übrigens aus der ersten Sitzungswoche zu melden, alte Ladenhüter waren wieder an der Tagesordnung: Die Aussenbeauftrage Ashton erschien wieder einmal nicht zur Debatte mit dem Parlament, obschon Mali und Syrien auf der Tagesordnung standen. Zum xten mal wurde über die Flugrechte der Passagiere-oder besser noch die Rechte ihres Gepäcks-debattiert, währenddem festgestellt wurde dass die Texte zwar gut und zufriedenstellend sind, sie aber von den Fluggesellschaften nicht respektiert werden! Zum Haushalt gibt es auch wieder Streit, die Vorlage des Vorsitzenden des Rates Van Rompuy will 75 mio€ einsparen…Dann verlangt das Parlament einen Aktionsplan der Kommission gegen Jugendarbeitslosigkeit. Gut gedacht, allerdings wird sich da zeigen wie weit sich überhaupt eine derartige Kompetenz aus den Verträgen herauslesen lässt. Soziales ist ohnehin nur bedingt auf der Tagesordnung, dann wenn es um die Harmonisierung von Bestimmungen geht, und nur unter strenger Wahrung der Subsidiarität, nicht gleichzusetzen mit Solidarität, sondern abgrenzend wie weit ein Staat oder die Kommission einem anderen Staat in seine Regeln hineinreden darf. Ein so ernstes Problem gemeinsam angehen ist immerhin eine Debatte wert. Allerdings ist die europäische Politik nicht direkt verantwortlich für die Arbeitslosigkeit….sie kann keine Arbeitsplätze schaffen, nur dafür Sorge tragen dass kein unlauterer Wettbewerb entsteht. Allemal wird der Dachschaden in Brüssel für Arbeit sorgen, für die Architekten und Ingenieure, die Rechtsanwälte die sich um die Verantwortung streiten werden, die Instandsetzung von Hilfslokalen und dergleichen mehr!