Die Meldungen überschnitten sich fast, aber nur fast. Anfang der Woche hatte Reimer Böge, langgedienter Haushaltsexperte des EP sein Mandat als Berichterstatter niedergelegt. Kein Mann für faule Kompromisse, ist er, seine profunde Kenntnis des europäischen Haushaltes hat ihn zum starken Pfeiler des Parlamentes gemacht. Mehrere Male hat Reimer Böge den Kompromiss herbeigeführt, im Interesse der Wirtschaft, so bei dem Gallileo Projekt, das von Rat und Kommission zum Scheitern verurteilt gewesen wäre ohne seinen Finanzierungsvorschlag. Derzeit geht es darum ob der mehrjärige europäische Haushalt überhaupt noch tragbar ist, wenn aus nicht ausgezahlten Geldern plötzlich « neues » Geld wird. Diesem Kompromiss hat Martin Schulz nun zugestimmt, dem Bürger soll es so scheinen als ob den Brüsseler Kassen nun auf Anhieb achtzig Milliarden Euro zur Verfügung ständen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, wo es sich doch um den Berechnungsmodus von geschuldeten aber nicht verarbeiteten Beträgen handelt. Das Parlament wird nächste Woche um seine Zustimmung befragt. Ob die Abgeordneten nun ihren Vorsitzenden Lügen strafen und den Kompromiss ablehnen, oder das lange andauernde Gerangel beenden bleibt abzuwarten.
Divers
Aussenminister einig zu Verhandlungen mit der Türkei
Nicht ohne Konsequenzen ist diese Entscheidung der Aussenminister, gibt es doch dabei wiederum « Gewinner » und « Verlierer », so ganz nach der üblichen Berichterstattung aus europäischen Ministerräten. In der Tat, es war ganz besonders diesmal ein Kunststück überhaupt zu einem Entschluss zu kommen, haben sich doch die Mitgliedstaaten seit der deutschen EU Präsidentschaft über die türkischen Antragsteller zur EU Mitgliedschaft ziemlich auseinanderdividiert. Die deutsche Kompromissformel des « ergebnisoffenen » Verhandelns mit dem Antragsteller war ohnehin nur ein Feigenblatt um die deutsche Abneigung gegen eine türkische Mitgliedschaft zu vertuschen. Insgeheim hoffte man es werde nicht dazu kommen, dass Deutschland als grösstes Mitgliedsland überholt werde. Die rezenten Unruhen schienen wie gerufen die Beitrittsverhandlungen zu verzögern. Harte Worte wurden aus Berlin an Erdogan gerichtet, allerdings die schweigenden Demonstranten haben auch dieser Reaktion ihren Denkzettel verpasst. Die Besonnenen unter den Aussenministern haben sich durchgesetzt, ging es doch diesmal nicht um das Image der Türkei, sondern vielmehr um das Gesicht und die Glaubwürdigkeit der EU.
Nationalfeiertag
Fest des Volkes, der Einwohner, Jener die hier zuhause sind, nicht eingegliedert nach Herkunft, Hautfarbe, Religionszugehörigkeit. Geschart um die Person des Staatschefs und seiner Familie, so wird er gefeiert. Die Nation hat im sich wandelnden Europa eine eigene Funktion: das Zusammengehören vermittelt sie besser, auch die Nähe, die Solidarität, das Mitgefühl. Ihre Daseinsberechtigung verliert die Nation keineswegs mit dem Wachsen und Werden einer vereinten europäischen Union, der Nationalstaat hingegen muss sich öffnen, grenzüberschreitend denken und handeln, besonders dort wo keine räumlichen Grenzen mehr sind, sie aber weiter in den Köpfen der Menschen existieren. Mit mehr als 50% Nicht-Luxemburger Bevölkerung hat das Grossherzogtum jetzt schon Modellcharakter. Mehrsprachigkeit hat das Luxemburgische nicht verdrängt, die Nationalsprache gewinnt zusehends an Beliebtheit, nicht nur als Kuriosum, sondern als Zeichen des Dazugehörens, der friedfertigen Integration. Nun ist ein Land dessen arbeitende Bevölkerung aus den nahen Grenzgebieten aus Deutschland, Frankreich und Belgien kommt auch deswegen ein Pilotprojekt. Steuerhinterzieher haben es in Misskredit gebracht, wenig erwähnt werden in den missgünstigen Berichten tausende von Arbeitsplätzen die geschaffen werden konnten und auch der Grossregion Arbeitsplätze besorgten. Wohl sind die internen « Affären » nicht dazu angetan zu jubeln, ohne den kritischen Rückblick. Eine Demo rief die Regierenden auf vorzeitig neu zu wählen, was denn hiesse die Flucht antreten vor den ausstehenden Berichten des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Geheimdienst und der Entwicklung um den Prozess des « Bommeléer ». Dass deswegen kostbare Zeit verloren geht um das Land neu für die Zukunft aufzustellen, könnte ein Beweggrund sein, allerdings funktionniert « business as usual » auch noch: immerhin hat der letzte Regierungsrat vor dem Nationalfeiertag noch eine Gesetzesänderung der Studienbeihilfen und eine wichtige Schulreform verabschiedet. Vom Parlament dringt vor allem das Echo des Untersuchungsausschusses nach aussen, an ihm ist die Presse besonders interessiert, was eben nicht bedeutet dass es keine gut gefüllte Tagesordnung mit soliden Reformprojekten in anderen Bereichen gäbe, eben der übliche grosse Andrang vor den Sommerferien! Nach den Feiern wird es dann wohl konkret ob die Ferien auch Wahlkampfvorbereitung für die Parteien sein werden…
Stumme Proteste in der Türkei
Ein Künstler, stumm verharrend vor dem Bild Atta Türk’s, hat den Bürgerprotesten in Istambul eine Wende verpasst: die Nachahmer, die sich sprachlos versammelten, haben mehr als alle anderen Demonstranten das wahre Gesicht des türkischen Premierministers vorgeführt. Dies waren keine Terroristen, keine Randalierer, vom Ausland her angestachelt die Türkei zu destabilisieren, dies war die Generation der neuen Türkei, das andere Gesicht, das Freiheit in Frieden will. Und wiederum hat sich in den öffentlichen Erklärungen gezeigt wie in manchen EU Mitgliedstaaten das Verständnis für dieses grosse Land kaum vorhanden ist! Zu Recht haben sich die Türken gegen Einmischung von aussen gewehrt, die Teilnahme der deutschen Grünencheffin war daher mehr als deplaziert. In Wirklichkeit aber wurde Erdogan von den eigenen Landsleuten vorgeführt als der Despot der er ist. Die Macht hällt er in festen Händen, ist sich künftiger Wahlergebnisse sicher, trotzdem haben die Demonstranten die Fassade angekratzt. Und eben deshalb wäre es ein fataler Fehler wenn die EU nun auf den Rückzug aus den Beitrittsgesprächen ging. Der deutsche Wahlkampf sollte nicht als Störmanöver dazu genutzt werden, notwendig ist es weniger denn je, da in der Türkei die Stimmung radikal gekippt ist: nur noch 46% der Türken wollen in die EU! Mit der friedlichen Demonstration ist erst recht das Bewusstsein heraufbeschworen, dass sie es auch ohne EU schaffen und auf dem Weg zu echter Demokratie sind. Lang und beschwerlich wird er allerdings, aber die Neuzeit muss rechnen mit der Facebook Generation, die ihre Information nicht mehr allein aus den Moscheen bezieht.
Der Streik der Fluglotsen
Die Folgen tragen die Fluggesellschaften, die Passagiere, die Flughäfen, die gesamte Wirtschaft, denn die Lotsen bestimmen über das Schicksal der Airlines! Nun wurde wiederum der Ruf nach mehr EU laut, bessere zwischenstaatliche Regelungen, eben SES, wie man das Projekt Single European Sky nennt. Dabei ist laut der Abstimmung(siehe www.ehennicotschoepges parlement européen ITRE) im EP vom 14. November 2006 die Route für die Inkraftsetzung dieses Projektes mittels neuer Satellitentechnologie in einer Zusammenarbeit zwischen der europäischen Kommission, den Mitgliedstaaten und den verantwortlichen Fluggesellschaften auf der Schiene…abgefahren ist allerdings der Zug wohl noch nicht. Es gibt demnach eine gesamteuropäische Lösung, die sogar mehr als 27 (28) Mitgliedstaaten umfasst, da Eurocontrol 38 Mitgliedstaaten zählt. Der Streik der französischen Fluglotsen ist nun aber eine vorhersehbare Reaktion auf diese gesamteuropäische Verbesserung von Flugroutenplanung und ihrer Kontrolle. Demnach: dort wo die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Mitgliedstaaten einen deutlichen Mehrwert bringt, scheitert der gemeinsame Wille am Einspruch der französischen Gewerkschaften. Ob daraus eine generelle Ablehnung dieses grossen europäischen Projektes entsteht, muss sich am Willen und dem Geschick der Verhandler zeigen. Es könnte sein dass einige Tausend Fluglotsen Millionen Passagiere weiterhin in ihrer Beweglichkeit behindern. Sollte es lediglich eine Frage von Arbeitsbedingungen und Gehältern sein, wären doch sicher Lösungen zu finden. Falls allerdings der gesamte Berufsstand durch Technologie ersetzt würde, und die Zukunft das unbemannte Flugzeug wäre, hätten die Franzosen zumindest einige Erfahrungswerte: die neuen Metrolinien in Paris funktionnieren nämlich seit dem 3.November 2011 ohne Fahrer, gut und zuverlässig! Bei den Fluggesellschaften streitet man allerdings darüber wer zuverlässiger sei, der Mensch oder die Technologie! Bei Eurocontrol braucht es vorerst wohl noch beide. Eine ordentliche und gute Verhandlung mit den Beschäftigten wäre demnach dringend angebracht….ein Abkommen das der Regierung François Hollandes gut zu Gesicht stünde, im gesamteuropäischen Interesse.