Eine breite Mehrheit des europäischen Parlaqmentes stimmte gegen das Abkommen, die konservative EVP enthielt sich der Stimme, die frühere französische Justizministerin, MEP Rachida Dati drückte versehentlich den falschen Knopf und stimmte dagegen, statt sich zu enthalten! Eine Zufallsmehrheit war es allerdings nicht, die Abgeordneten waren durch intensivste Bearbeitung der Anti-Acta Lobby auf « dagegen » eingestimmt. Fragt man über Détails nach, wissen wohl die wenigsten dass es nicht nur um die Freiheit des Bürgers im Netz ging, sondern auch um Autorenrechte und Bestrafung vom Klau geistigen Eigentums. Das Abkommen war unterschrieben von vielen Ministern und die Kommission stand hinter dem Text. Aber nicht zum ersten Mal hat sich das EP profiliert, zumal wenn starke öffentliche Einflussnahme dahinter steht, als Schiedsrichter. Ob der Text verbesserungsfähig gewesen wäre und im Tauziehen mit der Kommission ein Kompromiss drin war, erfährt die Öffentlichkeit nicht aus den Schlagzeilen. Das ist die Feinarbeit in den Brüsseler Gängen, wo es schon darauf ankommt wer die Berichterstatter für die Fraktionen sind. Der zuständige Kommissar Karel de Gucht ist derzeit in Sorge wie er schliesslich verhindern kann dass dem europäischen Markt viel Geld verloren geht wenn auf anderen Kontinenten Gedankengut aus der EU schamlos kopiert wird. Das reicht von Medikamenten bis zu den Nobelmarken im Kleidungsbereich, betrifft aber auch Musik im Netz… Vermutlich war das Schiff überladen, allemal haben allerdings die Regierungsvertreter die das Abkommen unterschrieben haben das Kleingedruckte nicht gelesen! Acta wird wohl wiederkommen, in einzelnen sektoriellen Verträgen, oder durch Klagen vor dem Eugh.
Zypern übernimmt Präsidentschaft der EU
Die wechselnde Präsidentschaft sollte abgeschafft werden, so hatte die Planung des ersten Verfassungsvertrages es vorgesehen. Ein ständiger Präsident… mit Telefonnummer, damit auch der amerikanische Aussenminister ihn ständig erreichen könne! Es kam nicht so, die Präsidentschaft der Länder wurde beibehalten. Gut oder schlecht? Nachdem ein ständiger Ratsvorsitzender, van Rompuy zur Zeit, Kompromisse schmiedet und die sich überschneidenden Akten im Auge behällt, ist die wechselnde Präsidentschaft insbesondere für die Verwaltung kleiner Länder eine Herausforderung. Aber auch ein Lehrstück, viel wüssten nämlich nicht wie die Union in den Brüsseler Gemächern funktionniert, hätten sie nicht den Vorsitz in den Ministerräten geführt! Nun ist Zypern dran, wohlverstanden nur der südliche Teil der Insel. Die geteilte Insel ist immer wieder Spielball zwischen der Türkei und Griechenland, das Nachsehen haben die Inselbewohner aus dem Norden, Zyprioten, gemischt mit anatolischen Siedlern die von der Türkei eingesetzt wurden um die Bevölkerungsdichte zu halten und dem Süden zu trotzen. Eine geteilte Insel, auf der es keinen Frieden gibt, solange sich die Türkei und Griechenland nicht heraushalten. Auch die griechisch-orthodoxe Kirche hat ihre Hände im Spiel, war doch die Ursache der Besetzung auch ein ethnisch-religiöser Konflikt. Nachdem der Süden nun Mitglied der EU geworden ist hat sich der Konflikt auf der internationalen Ebene zugespitzt: der Plan des Uno Generalsekretärs wurde 2004 von der Türkei unterstützt, von den Südzyprioten abgelehnt. Die Türkei hat ihren Boykott der EU angekündigt, die zypriotische Präsidentschaft ist für sie ein Affront! Die Aufnahme in die EU war gewiss in der guten Meinung beschlossen worden, der Konflikt lasse sich so lösen, allerdings wäre die Türkei dabei ein wichtiger Verhandlungspartner gewesen. Zypern, die Geisel des Pokerspiels zwischen der Türkei und der EU, hat nun auch finanzielle Probleme. Im ersten Anlauf hat Moskau ausgeholfen, nun soll der EU Rettungsschirm her….
EU Rat: keine Frauenquoten…
Die Tagesordnung zum Gipfel ist gut gefüllt und die Probleme die anstehen haben es in sich! Der ständige Vorsitzende, Herman van Rompuy scheint indessen seine Rolle als Mittelsmann recht gut zu spielen. Die Kompromisse die er vorbereitet sind ausgereift. Der sensible Verhandler, selbst Gedichte schreibender, ehemalige Premierminister Belgiens weiss es anzugehen. So hat er eben auch seinen Zugriff auf die Tagesordnung. Und die birgt für die Sitzung genug Konfliktstoff, da es noch immer nicht sicher scheint ob auch Frau Merkel seinen vorbereiteten Kompromissen zustimmt. Die EU wird, nachdem der Vergemeinschaftung von Schulden zugestimmt ist, zusammenwachsen….Davon erwartet man sich vor allem die Beruhigung der Finanzmärkte, allerdings wird wohl oder übel nach einem solchen Schritt die Union besiegelt sein für die Zukunft! Jede Krise bietet eben auch ihre Chance. Dass die Agenda nicht noch zusätzlich belastet wurde mit einem Thema das besonders für die Kanzlerin kritisch wäre ist verständlich. Kommissarin Reding wird also diesmal nicht punkten mit ihrem Vorschlag der Einführung von Frauenquoten für Verwaltungsräte. Dafür oder dagegen kann man mit gleich starken Argumenten auftreten. Eines aber ist sicher: im europäischen Raum sind die Frauen in Führungsgremien verschwindende Minderheit, während in Indien, Amerika und Asien die Führungsrolle von Frauen denen der Männer keineswegs nachsteht. Die Rede des Parlamentspräsidenten Martin Schulz wird mit einiger Spannung erwartet, er wird es sich nicht nehmen lassen im Rückblick auf die Krisenbewältigung die Vorschläge des Parlamentes als weitsichtiger als jene der Regierungschefs aufzuzeichnen. Der Bürger sollte schon vormerken dass die Volksvertretung in der EU längst keine Versammlung von ausgedienten national abgeschobenen Politikern mehr ist!
Walther Rathenau
Am 24. Juni 1922 wurde er von Rechtsradikalen in Berlin ermordet. Als Wiederaufbauminister, und dann Aussenminister war er nach dem Versailler Vertrag darum bemüht die Entwicklung der deutschen Wirtschaft in die richtigen Bahnen zu lenken. Sein Gespür für die politische Athmosphäre hat er sich erarbeitet durch die Vielfalt seiner Aktivitäten. Die Pflege unorthodoxer Beziehungen gaben ihm das « andere » Bild der Politik in Europa, die Annäherung an Frankreich suchte er durch Kontakte mit Künstlern und Literaten. Am 22. September 1920 hat er in Colpach an der belgisch luxemburgischen Grenze dank der Verbindungen des Stahlpatrons Emile Mayrisch und seiner Frau Aline, den französischen Schriftsteller André Gide getroffen. Am Rande der Gespräche mit den Künstlern und Intellektuellen aus dem Colpacher Kreis, zu dem Coudenhove-Callergi, Annette Kolb, die van Rysselberghes u.a. gehörten, habe es auch eine Unterhaltung mit dem Stahlbaron gegeben. Mayrisch war damals sehr besorgt um die Entwicklung der Industrie, die Lieferung von kriegswichtigem Material durch die Arbed an deutsche Konzerne behagte ihm nicht so recht, auch Rathenau bedauerte dass sich eine « schwerindustrielle Diktatur » eingestellt habe. Eine Gesundung könne man erst dann erwarten, « wenn an die Stelle einer ungeregelten und ungezügelten Wirtschaft des Monopols und des illegitimen Händlertums eine geordnete, organische Wirtschaft nach klaren Grundgedanken eintrete ».* Rathenau wurde ermordet, Mayrisch kam durch einen Autounfall 1928 ums Leben. Die Geschichte nahm ihren tragischen Lauf.
Die Erinnerung an Rathenau dürfte, in die Aktualität übersetzt, wohl manchen Politiker zu der Frage auffordern mit welchem Kriegsmaterial denn in Syrien und anderswo in der Welt Zivilisten umgebracht werden…. (* 50 Jahre Carlswerk S.66)
Bankenaufsicht und Besteuerung von Finanztransaktionen
Beide Entscheidungen des EU Finanzministerrats in Luxembourg sind keine neuen Vorschläge, alte Hüte könnte man sagen die seit mehreren Jahren periodisch auftauchten, aber keine Mehrheit fanden. Deutschland und Grossbritannien haben sich in den EU Räten dagegen gewehrt, der deutsche Finanzminister im Eurorat, die Zustimmung muss nachgebessert werden, da die Briten nicht in der Eurogruppe sind. Eine folgenschwere richtige Entscheidung die hoffentlich dem Gezocke an den Finanzmärkten Einhalt gebietet. Aber damit sind nicht alle Hürden genommen: die nationalen Parlamente müssen noch zustimmen, ganz besonders der Bundestag meldet sich zu Wort, gestärkt durch ein Urteil des deutschen Verfassungsgerichtes, das den nationalen Parlamente das Mitspracherecht in angemessenem Zeitrahmen bestätigt. Damit liegt demnach der Ball beim Präsidenten Lammert! Zu dem Tauziehen zwischen der Bundesregierung und dem Bundestag sei bemerkt dass jedes nationale Parlament alle europäischen Gesetzesvorlagen zur Ansicht bekommt, von Rechts wegen, nach dem Vertrag von Lissabon. Solche die im Vorfeld die Regierungsposition prüfen wollen hätten das « dänische Modell », d.h. die Prüfung jeder Entscheidung der Bundesregierung in einem Spezialausschuss vor der endgültigen Ratifizierung im europäischen Ministerrat einführen können. Hat da wohl jemand eine Gelegenheit verschlafen…oder ist es das doppelte Spiel, dass eine parlamentarische Mehrheit die eigene Regierungsmannschaft nicht vor der Opposition blossstellen will? Ein Parlamentsausschuss wäre nämlich aus allen Fraktionen bestückt, diskrete Verhandlungen wären demnach nicht mehr möglich, die Koalitionsparteien hätten sich selbst um Politikgestaltung geprellt. Nun wird Herr Lammert auch dafür sorgen müssen dass die notwendigen Mehrheiten präsent sind wenn es ums Eingemachte geht, Pleiten wie bei der Abstimmung um das Betreuungsgeld wird er sich dann nicht mehr leisten können….