An diesem Tag ist es wohl angebracht etwas rückblickend auf die deutsche Geschichte die Rolle dieses « neuen Deutschlands » in Europa zu belichten. Denn die Stimme Deutschlands ist wohl in der EU die wichtigste und mächtigste zugleich: niemand möchte sich dem Zorn deutscher Politiker aussetzen, und schon gar nicht auf gute Zusammenarbeit mit der deutschen Wirtschaft verzichten. Dies ist denn auch die Erklärung weshalb es bisher keinen Zusammenschluss der « kleinen » EU Mitgliedstaaten gibt, etwa um anderen Kleinstaaten zu Hilfe zu eilen. Aber so läuft das Geschäft nicht, im Ministerrat sitzen alle an demselben Tisch! Wer verletzend argumentiert wird irgendwann daran erinnert, auch Politiker sind nur Menschen und müssen vor ihrer Öffentlichkeit gerade stehen. Die deutsche Einheit kam zustande nachdem die Franzosen einverstanden waren. Die gemeinsame Währung sollte verhindern, was letztendlich der Beweggrund Robert Schumans war die Gemeinschaft für Kohle und Stahl nämlich zu verhindern dass ein wirtschaftlich überragendes Deutschland wiederum den Frieden auf dem Kontinent gefährden könnte. Nun sind noch die Soldaten nicht gekommen – ein deutscher Politiker hatte eine solche Perspektive einmal gegenüber Luxemburg geäussert – aber ist nicht schon wieder Krieg? Die Demonstranten in Athen und Madrid können auch Deutschland nicht unberührt lassen. Welches Deutschland würde denn gebraucht? Eine Diplomatenfrage, je nachdem von wem sie beantwortet wird! Wäre die Stimme Deutschland ein klares Bekenntnis zu einer europäischen Solidarunion gewesen, hätte Deutschland als geeintes Land, mit der grössten Wirtschaftskapazität in der EU die Einigung der Staaten resolut vorangetrieben, viel Zeit wäre gewonnen geworden. Hätte bereits zu Anfang der Finanzkrise 2008 eine solche deutsche Grundhaltung ihr Gewicht in die Debatten eingebracht, manches Debakel hätte verhindert werden können. Die Stimme des geeinten Deutschlands klingt aber nicht nach Solidaritätsbeweis für Mitgliedstaaten in Not, sondern eher als Bewahrung der eigenen Besitzstände! Dem Kanzler der Einheit, Helmut Kohl wurde zu recht ein Denkmal gesetzt. Der Kanzlerin wird die europäische Öffentlichkeit mangelhaftes Bekenntnis zu echt europäischem Denken nachsagen.
Kulturdialog in der Türkei
Die stockenden Gespräche zur EU Mitgliedschaft waren in die Reden eingebettet und der laut geäusserte Vorwurf dass es der « Christliche Klub » in der EU sei, der die Zulassung eines muslimischen Landes verhindere, verlangte denn auch nach Widerspruch! Das Recht auf Meinungsfreiheit war ein widersprüchliches Thema, fand es doch statt auf dem Hintergrund des You tube Films « the innocence of moslems » und der Gewalttaten die sich als Proteste gegen diesen Film verstanden wollten. Die türkische Presse hatte dazu aufgerufen nicht über die Gewalttaten zu berichten und die Provokation mit Verachtung zu ignorieren…eine weise Haltung der gebührende Anerkennung gilt. Es gab demnach keine Gewaltausbrüche in der Türkei zum Film. In der Presse machten die Berichte über das laufende Gerichtsverfahren gegen die Militärs, die des Putschversuchs angeklagt sind, Schlagzeilen. Tausende sind im Gefängnis, frühere Militärs, Universitätsprofessoren, Journalisten, Kurden…Dass unabhängige freie Gerichtsbarkeit ein wichtiges Kapitel in den Verhandlungen mit der EU ist, dürfte der Türkei noch auf lange Zeit zu schaffen machen. Der Premierminister Erdogan hällt sich auf Despotenmanier an der Macht. Aber die Redner der Tagung kamen meistens mit wenigen Ausnahmen aus den Majoritätsparteien, das Problem der Minderheiten ist denn auch bei der bevorstehenden Änderung der Verfassung nicht nur eine « Kurdenfrage », auch sozialistische und laïzistische Parteien haben wenig Redefreiheit. Das wirtschaftlich boomende Land wird in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Weit entfernt ist es allerdings zur Zeit noch von europäischen Standards einer freien, unabhängigen, demokratischen Gesellschaftsordnung.
Die EU und die Türkei im Kulturdialog.
Bilaterale Gesprächsrunden sind die Gelegenheit zum Austausch. Die offiziellen Verhandlungen sind auf Sparflamme. Insbesondere der Protest der Türkei im Hinblick auf den EU Vorsitz Süd Zyperns sorgt für Missstimmung, ansonsten werden aber kommerzielle und kulturelle Kontakte weiter gepflegt, von der EU auch sogar mitfinanziert! Die diplomatischen Beziehungen über eine eigene « Botschaft » der Kommission in Ankara hat logistische Mittel und Finanzen bereitgestellt, das türkische Parlament hat die Organisation mitfinanziert, vor Ort wenige « Europäer », dafür nationale Parlamentarier aus Ungarn, Lettland, Estland und Österreich, sowie die Diplomaten einiger EU Botschaften, dafür aber die türkischen Vertreter aus regionalen und nationalem Parlament in grosser Zahl. Nicht Ankara hatten die Organisatoren ausgewählt, sondern Urfa und Mardin, historische Stätten mit biblischem Hintergrund. Hier wurde Abraham geboren, und der Prophet Mohammed hat Fussspuren hinterlassen, die in der Moschee unter Glas zu besichtigen sind. Die notwendige Erinnerung dass viel europäisches Kulturgut hier seinen Ursprung fand, Mesopotamien Wiege war und zur Zeit der Ort unausgegärter Konflikte der Neuzeit. Auf 35 km von der syrischen Grenze hatten demnach die Gespräche einen ganz besonderen Hintergrund…à suivre
Neue Provokation für Muslime in Frankreich
Eine Zeitung, deren Image von der Karikatur und der Provokation hochgeschaukelt wurde, hat sich erdreistet zum Thema freie Meinungsäusserung den Bogen zu überspannen! Ausverkauft ist sie schon, vor dem Wochenende, und darauf kam es ja wohl an: die Auflagen erhöhen! Eine Karikatur ist noch keine Meinung, der Betrachter interpretiert was dargestellt ist, die Sprechblasen sollen anregen, es geht demnach nicht um das hohe Gut der Verteidigung freier Meinungsäusserung, sondern vielmehr um die Provokation schlechthin! Mal sehen ob im Lande Voltaires die Regierung standhällt! Mal prüfen ob der Aussenminister reagiert! Und er hat: geschlossen die Botschaften, die französischen Schulen in muslimischen Ländern, die Redaktion des Blattes von Polizeischutz umgeben…ein schäbiges Fazit: die Provokation hat einen Preis, im krisengebeutelten Frankreich hätte man wohl gerne auf diese unvorgesehenen Ausgaben verzichtet. Frage: wer sind die Leichtfertigen die zum Kiosk rennen und sich auf das Blatt stürzen? Nicht auf die Abonnenten ist ja gezielt, das dürften die eingefleischten spät Achtundsechziger sein, sondern auf die Steigerung der Auflage! Oder? Was will die Redaktion beweisen? Welche Botschaft vermitteln? Gesetze welche die Presse und die freie Meinungsäusserung, als zivilisatorische Errungenschaft, schützen, dürften nicht auf diese Weise missbraucht werden. Klug wären die Muslime wenn sie das ganze Spiel unbeachtet liessen, die Polizeistreifen im Leerlauf, ohne Kommentar noch Prostestaktion, die Klügeren müssten mit Verachtung alle betrachten die ihr Geld dafür ausgeben. Es ist Krieg, doch niemand geht hin! Wie schön wenn es so abliefe und der Redaktion von Charlie Hebdo in Paris ein ordentliches Schnippchen geschlagen würde.
Medien und Verantwortung
Die muslimische Welt scheint in Flammen zu stehen, die Titel der Tageszeitungen berichten über neue Zwischenfälle, verbrannte amerikanische Fahnen, zerstörte Botschaften, Schulen, Tote, Unschuldige an denen Wut ausgelassen wurde, die nicht sie betraf, sondern jemand anders. Wer nun dieser « jemand anders » ist, und ob es überhaupt eine Einzelperson sein kann, die Anlass gegeben hat dass kriegsähnliche Zustände herrschen, ist eben eine Frage! In Benghazi, dem Ort in Lybien wo extreme Jihadisten seit dem Tod Gaddhafi’s auf Revanche gewartet haben, hat es begonnen. Das Video- anscheinenden von einem ägyptischen Kopten in Amerika produziert- war seit drei Monaten auf You tube. Vom 1. Juni bis zum 12. September 10.000 mal angeklickt, wurde der Streifen nun zum Ursprung der Unruhen in Benghazi aufgewertet. In zwei Tagen nach dem Tod des amerikanischen Botschafters 300.000 mal angeklickt ist der Streifen neuerdings Gegenstand einer Diskussion in Deutschland, ob denn eine öffentliche Aufführung zugelassen werden soll, respektiv könnte! Um was es dabei geht ist mittlerweile reichlich bekannt: die Muslime empfinden den Streifen als Beleidigung des Propheten, Experten sprechen von einem filmisch schlechtgemachten Pamphlet. Was wäre nun wenn überhaupt keine Zeitung über die Vorgänge berichtet hätte? Wenn die Werbung, die indirekt um das Dokument, das anscheinend zum Aufstand extremistischer Gruppen geführt hat, gemacht wurde, ausgeblieben wäre? Einige You tube Besucher mehr, kein Flächenbrand…wahrscheinlich Aufruhr wegen anderer vermeintlicher Provokationen. Die Debatte von 2006 um die Mohammed Karikaturen hat ähnlich begonnen: in Aarhus, nunmehr gekürte Kulturhauptstadt für 2016, waren sie entstanden, zuerst unbemerkt, und dann Auslöser ähnlicher Gewalttaten! Die EU tat sich schwer mit damit, da es um freie Meinungsäusserung einerseits und andererseits Beleidigung einer Religion ging. Das Medium war damals eine Zeitung. Nun ist es ein Film, so wie beim ermordeten Theo van Gogh. Die Diskussion führt auch diesmal haarscharf an die Grenzen gesetzlich möglicher Regelungen heran. Verantwortung tragen allemal die Medien: was sie auf ihren Titelseiten bringen, sollte nicht nur unter dem Vorwand hoher Verkaufsauflagen begutachtet werden. Freies Internet ist mittlerweile zum Kult geworden, da gibt es keine identifizierbare Verantwortung: da ist jeder sein eigener Chefredakteur, indem er seine Information durch Klicks zusammenstellt. Wie sehr es da an anerzogenem Respekt, an Feingefühl, an Wissen über Religion mangelt sei dahingestellt. Benghazi wäre wahrscheinlich auch explodiert ohne diesen Film: als Aufstand von Extremisten gegen die militärischen Eingriffe des Westens in Zeiten der Diktatur. Aber davon geht jetzt kaum noch die Rede.