Die Partei ist der Einladung Basescu’s gefolgt: der gerettete Präsident wird vermutlich mit grösstem Wohlgefallen seine Parteifreunde empfangen, nachdem die Sozialisten ihr Treffen nach Brüssel verlegt hatten und der Einladung des Parteikollegen Ponta nicht gefolgt sind. Die Schlammschlacht um die Amtsenthebung des Präsidenten durch Premierminister Ponta hat keine rühmlichen Spuren für die europäische Kommission hinterlassen. Die allzu voreilige Wortmeldung der EU Justiz Kommissarin, wenig und kaum hintergründig informiert über rumänische Verhältnisse, stösst denn auch den Rumänen übel auf. Der frühere Präsident Emil Constantinescu, EVP Mitglied seinerzeit, nach einer Amtsperiode wieder an seine Universität zurückgekehrt, hat sich denn auch zu Wort gemeldet. In einem 12 seitigen Brief an den Präsidenten des europäischen Parlamentes belegt er mit der Aufzeichnung rezenter rumänischer Geschichte wie bei den Zahlenspielen unter Präsident Basescu der Bevölkerungsentwicklung nicht Rechnung getragen wurde. 2004 und 2008 waren 18,4 Mio Einwohner eingetragen , 2012 waren es 18,3 Mio, das nationale statistische Amt führt allerdings 2,6 Mio respektiv 3,4 Mio Auswanderer auf. Der Präsident, nachdem 87% der Wähler abgestimmt haben, weit über 50% der effektiven Bevölkerung mithin dem Amtsenthebungsverfahren zustimmten, kann demnach nicht mehr das rumänische Volk vertreten, weder im In-noch im Ausland. Constantinesu erklärt weiter die Regeln des Verfassungsrates, die Besetzung der Posten durch Securitate Mitglieder, die Parteiklüngel und die Korruptheit des Amtsinhabers. Reding und Barroso hätten weder Fachleute aus Rumänien konsultiert, noch etwas näher hingesehen. Eigentlich hätte es zur Normalität unter Parteigenossen gehört, zumindest einen früheren Amtsinhaber anzuhören bevor sich die Kommission in Amt und Würden vor Basescu stellte. Nun ist auch der Premierminister kein Chorknabe, ein Zögling des der Korruption überführten Premierministers und Parlamentspräsidenten Adrian Nastase, ein des Plagiats beschuldigter Akademiker. Mitten im rumänischen Wahlkampf macht sich die EVP nun vermutlich zum Wahlkampfhelfer für den falschen…da Basescu sogar noch in das EVP Präsidium gewählt werden wollte, ihm aber vorgehalten wurde dass er eigentlich politisch neutral sein sollte…was auch immer das bedeutet! Indessen hat sich die wirtschaftliche Situation verschlechtert, nachdem der Präsident der Zentralbank und frühere Premierminister Isarescu für einigermassen stabile Verhältnisse der Währung gesorgt hatte. Vertrauensverlust, auch für die EU: einmischen sollte sie sich erst, wenn sie den richtigen Durchblick hat. Die EVP zeigt allerdings wieder einmal was sie in Wirklichkeit ist: ein Sammelsurium von 73 verschiedenen Parteien, ohne Grundsätze und politisches Ehrgefühl.
Nobelpreisträger
sind die Europäer geworden, der Preis geht allerdings an die EU. Damit ist die Streitfrage auch schon aufgetaucht: Wer ist das, die EU, wer vertritt sie, und wen werden die Brüsseler nun nach Norwegen entsenden um den Preis entgegen zu nehmen. Die vor der Weltpresse geäusserte Freude und Zufriedenheit der Mandatäre von Kommission, Parlament und Rat ist berechtigt: das Norveger Komitee hat damit in Erinnerung gerufen dass die Gründung der EU ein Friedenswerk war. Den vielen Wortmeldungen des Tages ist der Freude und dem Stolz über die Verleihung auch die Unsicherheit anzumerken, die Konkurrenz unter den Institutionen und ihren Vertretern lässt sich kaum verbergen. Meilenweit entfernt sind sie vom Gedankengut des Gründervaters Robert Schuman, dessen Bescheidenheit sprichwörtlich war. ER hätte vermutlich eine Presseerklärung erst später abgegeben, ER hätte sich nicht vorgedrängt, ER hätte das richtige Symbol in der Ehrung gesehen und hätte wahrscheinlich sofort an seinem Schreibtisch einen Zukunftsplan in Auftrag gegeben. Denn ob 500 Millionen Europäer derzeit in Frieden miteinander zusammenleben , wie sehr sie sich auch als Europäer fühlen, ist eine Frage. Die Aufgabe der nächsten Jahrzehnte wird es sein die Menschen zusammenzuführen, nachdem die Staaten die Verträge abgeschlossen haben. Vorerst wird die EU als Krisenherd verstanden. Ob sich der Streit um die wirtschaftliche Zukunft friedlich löst, oder aber ein Auseinanderbrechen der 17 Eurostaaten bevorsteht, hängt wieder von dem grössten Mitgliedsland, Deutschland ab. Die Freude über den Nobelpreis, als Würdigung der Gründerväter ist berechtigt, um die Ehre müssen sich die jetzigen Machthaber erst noch verdient machen.
Waffenhersteller und Arbeitsplätze…
Sie pockern, die deutschen und britischen Grosskonzerne der Waffenhersteller. Ob es zur Fusion kommt dürfte sich in den nächsten Tagen klären. Skurril scheint jedoch die Überlegung dass sich die Leiter der deutschen EADS plötzlich sorgen um die Arbeitsplätze die verlorengingen, im Falle einer Fusion. Anders herum gibt auch die Politik öffentlich zu dass das Geschäft mit Waffen in der Tat nur knallhartes Kalkül ist, das Devisen einbringt, Arbeitsplätze schafft und andere Kontinente so aufrüstet dass der Krieg kein Ende hat. Das Bibelwort der Pflugscharen statt Waffen hat sich im « christlichen » Europa eben nicht durchgesetzt. Dort wo Profite einzuheimsen sind, hört die Moral auf. Das ist weltweit so, allerdings hatte die EU der Gründerväter angesetzt die Waffenproduktion unter Kontrolle zu bekommen. Vergessen ist fast schon dass die WEU, die westeuropäische Union zeitgleich mit dem Europarat gegründet wurde und einer ihrer Objektive war, die Waffenproduktion der Mitgliedsländer zu koordinieren…was ihr eben nicht gelang. Erst kürzlich wurde die parlamentarische Versammlung der WEU abgeschafft, ziemlich sang und klanglos, denn wozu eine Organisation auf Sparflamme erhalten, wenn das Ziel nicht erreicht wird. Dass sich nun Mitgliedstaaten der EU offen dazu bekennen dass jeder für sich ein eigenes egoistisches Interesse an der Waffenproduktion und an dem Handel hat, müsste zu Gegenreaktionen aufrufen. Wo bleibt die empörte Öffentlichkeit die solche zwielichtige Sprache entlarven könnte? Vermutlich hat auch der deutsche Kanzlerbesuch in Athen das Thema deutsche Waffenlieferungen an Griechenland nicht ausser acht gelassen, allerdings darüber wird in Presseberichten wohl nicht geschrieben!
Deutsche Weitsicht für Europa
Auch Deutschland bekennt sich zu der EU. Anlässlich der Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit forderte der Präsident des Bundestages zu mehr Begeisterung für Europa auf. Er erinnerte an die europäische Dimension von Deutschlands Wiedervereinigung. Eine echt europäische Festtagsrede, auch vom Bundespräsidenten und der Kanzlerin. Europapolitik ist allerdings auch Kleinarbeit, das Bohren dicker Bretter. Es wäre sicher hilfreich wenn Norbert Lammert im Alltagsgeschäft seine geäusserte Europabegeisterung nicht vergässe, denn seine lauthals geäusserten Vorbehalte vor der Abstimmung der Krisenmechanismen haben doch den deutschen Bürgen den Schrecken eingejagt! Nun ist eine europafreundliche Feiertagsrede wohl wichtig, allerdings die echten Resultate liegen im tagtäglichen Einsatz. Dass da der deutsche Bundestag in seiner Vorreiterrolle für alle anderen nationalen Parlamente eine wichtige Rolle spielt steht ausser Frage. Und eben die Sprache des Bundestagspräsidenten hat im Kreis der Präsidenten der nationalen Parlamente Beispielfunktion. Was dort gesagt wird entlädt sich in den 27 Mitgliedstaaten. Könnte die Feiertagsstimmung andauern, Lammert wäre ein wichtiger Vorreiter um die abzustimmenden Krisenmechanismen unter Dach und Fach zu bringen. Leider muss befürchtet werden dass die Hochzeitstimmung nicht mehr andauert, und dort der Präsident eher als Europaskeptiker wahrgenommen wird!
Frankreich stimmt dafür
Ausser einigen zögerlichen Sozialisten und den altbekannten Europakritikern haben die französischen Sozialisten die neuen Finanzregeln aus Brüssel abgestimmt. Schon einen Kommentar wert, waren es doch einige Prominente aus ihren Reihen die damals, als es 2004 um die neue europäische Verfassung ging, dagegen mobilisierten! Unter ihnen der jetzige Aussenminister Fabius, dessen Rolle als ehemaliger Präsident der Nationalversammlung unter Mitterand umso bedauerlicher war, da er in seiner Funktion durchaus für bessere europäische Information im französischen Parlament hätte sorgen können. Nun hat sich das Blatt gewendet: in Europa sei Frankreich grösser als allein, sagte Premierminister Ayrault. Ein weises Wort, diametral entgegengesetzt der einstigen Grandeur aus de Gaulle’s Zeiten, die Sarkozy vergeblich versucht hatte wieder aufleben zu lassen. Demnach, neue Bescheidenheit der französischen Sozialisten? Wohl kaum, allerdings in der Not frisst der Teufel Fliegen: über kurz oder lang könnte der französische Schuldenberg zu einem unangenehmen Thema heranwachsen. Dann wären Rettungsschirm und Finanzmechanismen ein willkommener Unterschlupf. Und wenn gar die Einsicht dazu gewonnen würde, dass mit der Verfassung, der von allen andern, ausser Frankreich und den Niederlanden, zugestimmt worden war, Europa einige Probleme weniger hätte, nämlich nur 18 Kommissare, einen ständigen direkt gewählten Präsidenten, eine starke Kommission, wäre immerhin ein Fortschritt im Bekenntnis zu Europa erreicht. Weitsicht lässt sich eben nicht mit Populismus paaren. Die Erklärung weshalb erst in einem Jahrzehnt Resultate sich zeigen, dürfte kaum genügen das Wahlvolk zu überzeugen.