Das politische Talent geht dem Ministerpräsidenten Alexis Tsipras nicht ab. Zuerst erkämpft er sich mit einem Referendum das Resultat der Verhandlungen, dann gelingt es ihm in seinem Parlament -dank der Opposition- eine Mehrheit zu erzielen, und rechnet nachher mit den Dissidenten der eigenen Partei ab! Ohne Referendum, hätte er politisch nicht überlebt, die europäischen Gesprächspartner hat er damit zwar verärgert, aber auch ihnen müsste daran gelegen sein einen starken Premierminister am Werk zu haben. Dass die Reformen bitter nötig sind, daran besteht kein Zweifel, ob aber das Grexit des Herrn Schäuble die Lösung bringen würde, ohne Kollateralschäden für die ganze Eurozone, ist ebenso zweifelhaft. Gelingt es nun dem Ministerpräsidenten in Griechenland die von allen politischen Vorgängern vernachlässigten Reformen durchzusetzen, dann hätte sich die lange Verhandlung gelohnt. Dann könnten auch Frau Merkel und Herr Schäuble sich ein Beispiel daran nehmen. Sanktionen für die Abweichler wird es vermutlich nicht im Bundestag geben. In Wirklichkeit stellt die Griechenland Krise das demokratische System in Frage. Daher dürfte der Name Wolfgang Merkels auch besondere Beachtung finden. Es gibt ihn wirklich, den Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel der 2015 über « Demokratie und Krise » publiziert hat. Seine beiden Vor-und Nachnahmenshomonyme sollte vielleicht einmal hineinlesen…..
Posts by: Erna Hennicot-Schoepges
ICD: Vice President European Cultural Parliament: Senator UPF: Ambassador for peace Uni.lu: C2DH member of the board
Tsunami für die Parteienlandschaft der EU
Ob das griechische Parlament heute zur nationalen Einheit findet um die ausgehandelten Bedingungen Brüssels zu ratifizieren bleibt die bange Frage. Das Volk hat per Referendum bereits seine Meinung gesagt, Alternativen zu den Brüsseler Vorschlägen gibt es derzeit keine. Etwas Weitblick hätte allerdings genügen müssen um die EU Finanzminister doch noch zu einem Schuldenschnitt zu bewegen. Der Spaltpilz ist da, sieht man sich die Parteienlandschaft der EU Mitgliedsstaaten an. Da zeichnet sich ein Vormarsch extrem linker Parteien in den « Südländern » ab, mit Syriza in Griechenland. In Spanien hat Podemos bei den Europawahlen 2014 die Sozialisten und die PPE ausgebootet, Tumulte gab es in Italien wo linke die bürgerlichen Rechten erfolgreich ablösten. Extrem rechts ist in Finland sehr stark, hat sogar massgeblich die Verhandlungen beeinflusst. Und die CDU/CSU in Deutschland wird mit der AfD den europafreundlichen Kurs gegen die Populisten verteidigen müssen. Das hat die Kanzlerin aber nicht berücksichtigt bei den Vorschlägen zu der Krise in Griechenland. Haut ist näher als Hemd, die Sorge um die eigene Mehrheit im Bundestag war wohl ausschlaggebend. Tschechei und Ungarn sind seit längerer Zeit auf gefährlichem Rechtskurs, und in Frankreich sieht man dem Vormarsch des Front National besorgt entgegen. Der Norden der EU eher rechts, der Süden eher links, wo bleiben die altgedienten Parteienfamilien von europafreundlichen Sozialisten und Christdemokraten? Griechenland hat ordentlich aufgerüttelt was ohne echte Begeisterung für das Grossprojekt der Union dahindümpelte: eine PPE welche kaum noch Begeisterung ausstrahlt, und Sozialisten die vom Kaviar mehr haben als von der arbeitenden Bevölkerung.
Griechenland und die Demokratie
Verhandlungen gescheitert, Neuwahlen in Griechenland, aus für die Kanzlerin, so etwa könnte es aussehen. Oder es kommt in Athen zu einer Regierung des nationalen Interesses, an der auch die Vorgänger Pasok und Nea Demokratia teilnehmen. Der Vorstoss des deutschen Finanzministers, auf den ersten Blick die Mucke des ältesten und erfahrendsten Mitglieds der Eurogruppe, beim näheren Hinsehen jedoch ein Entgegenkommen an die Skeptiker im Bundestag, hat sich zu einer innerdeutschen Krise zwischen den Regierungsparteien entwickelt. Erst twitterte Gabriel er habe davon gewusst, dann leugnet er eingebunden gewesen zu sein, Solidarität mit den griechischen Sozialisten verpflichtet! Die Zustimmung des Bundestages steht inzwischen auf wackeligen Füssen, könnte das Aus für die Kanzlerin sein, je nachdem was in Brüssel mit ihrer Zustimmung entschieden wird. Auch Dänen und Finnen wedeln mit dem Vorbehalt ihrer nationalen Parlamente. Letztlich darf man sich fragen wo denn eigentlich die Entscheidungsgewalt der EU liegt! Das Tauziehen um die Beihilfen für Griechenland ist nämlich auch der Kampf um das Überleben der Währungsunion. Der Schäublevorschlag hat eine Bresche geschlagen die vielleicht heilsames Erwachen aus der Gleichgültigkeit Lire plus…
Der Konflikt der Frau Merkel
Ihre Sturheit den Griechen gegenüber, radikal gegen einen Schuldenschnitt, ist verständlich, liest man über die Notlage mancher deutscher Rentner und 1 Euro Jobs Inhaber. Vielen Menschen in Deutschland geht es schlecht . Zwar haben die Reformen von Hartz 4 der Wirtschaft frische Luft verschafft, das Einkommen der Mehrzahl der deutschen Arbeiterklasse hat davon nur wenig gespürt. Bereits 2008 hat Juncker gefordert Deutschland müsse die Binnennachfrage stärken, d.h. den Deutschen mehr Geld geben, damit ihre Kaufkraft sich auf einem Niveau bewegt das auch Konsum fördert. Nur zögerlich hat sich die deutsche Politik in diese Richtung bewegt, die letzte Rentenreform bringt älteren Generationen von Rentnern nur wenig, wenn überhaupt, Rentenaufbesserung. Eine breite deutsche Öffentlichkeit ist den Griechen gegenüber skeptisch, die Darstellung dass nun jeder Deutsche X Euro für Griechenland zahlen müsste, lässt in den Köpfen der Menschen die nur knapp bemessen worden sind, die Wut aufsteigen. Nun sagen Finanzexperten dass die griechische Krise ohne Schuldenerlass nicht zu lösen sei. Frau Merkel kann dem kaum zustimmen angesichts der « verarmten » Deutschen und deren Frust gegen die EU. In die Sackgasse haben sich die langgedienten Staatschefs selbst manövriert: seit 1994 ist die prekäre Lage Griechenlands durch einschlägige Forschungsliteratur bekannt. Da nicht beizeiten darauf geachtet wurde, konnte Tsipras an die Macht kommen. Dass er seinerzeit Mitglied der kommunistischen Partei war und daher bei Vladimir Putin offenes Gehör findet, dürfte die geopolitische Lage der EU in eine bedrohliche Lage bringen.
Frau Merkel am Drücker…
Das griechische Referendum hat die EU ordentlich aufgerüttelt. Der Parlamentspräsident Martin Schulz schwankt zwischen der Analyse dass das Votum des Volkes zu respektieren sei und der Forderung nach neuen Vorschlägen des Ministerpräsidenten. Verstanden hat der deutsche Präsident wohl nicht dass es um mehr geht als nur um Griechenland. Es geht um den Zusammenhalt in der EU schlechthin. Nun wurde versucht die Griechen dazu zu bewegen weitere Massnahmen zu ergreifen, zur Sanierung einer maroden Verwaltung, dies nachdem gewusst war dass der Syriza Leader gewählt wurde weil das Volk von Austerität und den grossen Parteienfamilien der Sozialisten und der Nea Demokratia genug hatte. Zweimal hat das Volk Syriza bestätigt, den Europäern eine Lektion in Demokratie gegeben. Der Kurs der Griechen hat sie nun vor ihre Verantwortung gestellt: ist die EU eine Solidarunion, oder ist es ein loser Haufen von Geschäftemachern, die zu allererst dem Wirtschaftsgiganten Deutschland zu Diensten sein soll? Wenn Frau Merkel sich weigert über Schuldenschnitt und Restrukturierung zu verhandeln so sind es einzig und allein die deutschen Interessen die damit gewahrt werden sollen. Wird Griechenland aus dem Verbund der Euroländer entlassen stehen russisches chinesisches und gar sogar amerikanisches Kapital bereit um den Griechen zu helfen. Der Zerfall der EU wäre damit eingeleitet, einzig die deutsche Wirtschaft der Gewinner. Die Griechen haben durch diese Krise auf den Punkt gebracht was schon längst fällig war: weshalb gibt es keine Union aller anderen Staaten gegen den Giganten Deutschland, der letztlich egoistisch handelt und nur Eigeninsteressen im Blick hat?