Die muslimische Welt scheint in Flammen zu stehen, die Titel der Tageszeitungen berichten über neue Zwischenfälle, verbrannte amerikanische Fahnen, zerstörte Botschaften, Schulen, Tote, Unschuldige an denen Wut ausgelassen wurde, die nicht sie betraf, sondern jemand anders. Wer nun dieser « jemand anders » ist, und ob es überhaupt eine Einzelperson sein kann, die Anlass gegeben hat dass kriegsähnliche Zustände herrschen, ist eben eine Frage! In Benghazi, dem Ort in Lybien wo extreme Jihadisten seit dem Tod Gaddhafi’s auf Revanche gewartet haben, hat es begonnen. Das Video- anscheinenden von einem ägyptischen Kopten in Amerika produziert- war seit drei Monaten auf You tube. Vom 1. Juni bis zum 12. September 10.000 mal angeklickt, wurde der Streifen nun zum Ursprung der Unruhen in Benghazi aufgewertet. In zwei Tagen nach dem Tod des amerikanischen Botschafters 300.000 mal angeklickt ist der Streifen neuerdings Gegenstand einer Diskussion in Deutschland, ob denn eine öffentliche Aufführung zugelassen werden soll, respektiv könnte! Um was es dabei geht ist mittlerweile reichlich bekannt: die Muslime empfinden den Streifen als Beleidigung des Propheten, Experten sprechen von einem filmisch schlechtgemachten Pamphlet. Was wäre nun wenn überhaupt keine Zeitung über die Vorgänge berichtet hätte? Wenn die Werbung, die indirekt um das Dokument, das anscheinend zum Aufstand extremistischer Gruppen geführt hat, gemacht wurde, ausgeblieben wäre? Einige You tube Besucher mehr, kein Flächenbrand…wahrscheinlich Aufruhr wegen anderer vermeintlicher Provokationen. Die Debatte von 2006 um die Mohammed Karikaturen hat ähnlich begonnen: in Aarhus, nunmehr gekürte Kulturhauptstadt für 2016, waren sie entstanden, zuerst unbemerkt, und dann Auslöser ähnlicher Gewalttaten! Die EU tat sich schwer mit damit, da es um freie Meinungsäusserung einerseits und andererseits Beleidigung einer Religion ging. Das Medium war damals eine Zeitung. Nun ist es ein Film, so wie beim ermordeten Theo van Gogh. Die Diskussion führt auch diesmal haarscharf an die Grenzen gesetzlich möglicher Regelungen heran. Verantwortung tragen allemal die Medien: was sie auf ihren Titelseiten bringen, sollte nicht nur unter dem Vorwand hoher Verkaufsauflagen begutachtet werden. Freies Internet ist mittlerweile zum Kult geworden, da gibt es keine identifizierbare Verantwortung: da ist jeder sein eigener Chefredakteur, indem er seine Information durch Klicks zusammenstellt. Wie sehr es da an anerzogenem Respekt, an Feingefühl, an Wissen über Religion mangelt sei dahingestellt. Benghazi wäre wahrscheinlich auch explodiert ohne diesen Film: als Aufstand von Extremisten gegen die militärischen Eingriffe des Westens in Zeiten der Diktatur. Aber davon geht jetzt kaum noch die Rede.