Man soll die Feste feiern wie sie fallen, so der Volksmund. Zum 175. Jahrestag der Unabhängigkeit des Landes lud die Regierung ein um mit dem grossherzoglichen Hof und den Notabilitäten zu feiern. Eigentlich sei die Unabhängigkeit des Landes auf die Beschlüsse des Wiener Kongresses zurückzuführen, so Professor Dr. Michel Pauly. Demnach wäre die richtige Feier erst nächstes Jahr. Aber da bereits 1939 und 1989 gefeiert wurde, sollte es eben auch an dem Datum sein, da die Unabhängigkeit von Belgien vollzogen wurde. Erstaunlich allemal, die Tatsache dass es ein Land gab und (noch) kein Volk, die Luxemburger Nationalität wurde per Dekret geschaffen. Erst 1919 nach den Unruhen im ersten Weltkrieg und der Krise um Monarchie und wirtschaftliche Zugehörigkeit zu Deutschland, Frankreich oder Belgien hat mit der Einführung des allgemeinen Wahlrecht, auch für Frauen, ein Volk seine Geburtsstunde gefeiert. So die Daten aus der geschichtlichen Überlieferung. Wohl gibt es kulturelle Zeitzeugen aus dem 19. Jahrhundert in Sprache und Musik. Die Lektüre des « Rénert », 1872 erschienen, belegt sehr wohl, dass vor der Politik das Volk seine eigene Sprache, kritisches Denken und Schlaumeierei beherrschte. Das erste Schriftstück auf Luxemburgisch, ein Gedicht der Yolantha von Vianden, wurde Ende des dreizehnten Jahrhunderts geschrieben. Auch wenn es das Land und die Nation nicht gab, die Sprache oder Mundart, auch die Lieder, existierten vor dem Wiener Kongress und vor 1839.Nun muss sich ein Volk neu erfinden, da in der Zwischenzeit das Grossherzogtum die Stürme der Weltkriege überstanden hat, sich derzeit allerdings aus den Fesseln des erreichten Wohlstandes befreien muss. Der Neider gibt es nämlich viele. Völkerrechtlich ist das Mitgliedsland der EU nur scheinbar auf der gewonnenen Seite, da auch innerer Zusammenhalt das Volk ausmacht. So wie die Naziherrschaft und das Leiden während des zweiten Weltkrieges das Nationalgefühl stärkte, könnte die innere Zerreissprobe aus mangelndem Wir Gefühl entstehen. « Bleiwe wat mer sin », heisst derzeit wohl mehr « hale wat mer hun ». Im Kollektiv betrachtet, ein brauchbarer Grundsatz, individuell jedoch Egoismus pur. Und daran erbaut sich keine echte Volkszugehörigkeit.