Um die Designierung des künftigen Kommissionspräsidenten ist der Streit zwischen den Institutionen nun eskaliert. Für die Zeitschiene nach den Wahlen wurde vom Ratspräsidenten van Rompuy in Aussicht gestellt, sofort nach dem Wahlausgang die Staats und Regierungschefs zum Abendessen einzuladen, um anhand der Wahlresultate sich auf einen Vorschlag zu einigen. Dieser werde dann dem Parlament vorgeschlagen, und die Prozedur sei damit in Gang gesetzt. Jedem neuen Kommissionsmitglied steht eine Anhörung bevor, nach der die Ehrenwerten ihre Bewertung per Abstimmung bekannt geben. Dass nun der Rat, nachdem alle Parteien (ausser der EVP) ihre(n) Spitzenkandidaten benannt haben, der Rat dennoch seine Prärogative wahr nimmt, wirkte fast wie Majestätsbeleidigung. Nach den Verträgen steht dem Rat immer noch ein Vorschlagsrecht zu. Das scheint die Strassburger Versammlung nicht zu stören. Der geballte Unmut kam auch in der Energiewende zutage, anlässlich eines Initiativberichtes, in dem der Kommissionsvorschlag, den Präsident Barroso und die Umweltkommissarin kürzlich vorgestellt hatten, abgestraft wurde. Das Parlament legt eigene Vorschläge vor…die allerdings nicht rechtskräftig sind! Initiativberichte gibt es in Hülle und Fülle. Die Wirkung in der Öffentlichkeit ist stets verheerend: zum einen glauben die Bürger die aus Presseberichten erfahren, was im EP zu bestimmten Themen erarbeitet wurde, habe Gesetzeskraft , zum andern wird deutlich dass das Parlament lediglich in Gesetzesinitiativen von der Kommission eingebunden ist, aber noch immer kein Vorschlagsrecht hat! Auf eigene Reformen steht derzeit die Uhr im Parlament nicht. Die Ehrenwerten haben ihre Wiederwahl im Blickpunkt. Wie hoch die Wahlbeteiligung diesmal wird sollte eine ernste Sorge sein. Was stellt ein Parlament noch dar, wenn nicht einmal ein Viertel der Bevölkerung überhaupt zur Urne gehen! Dass die europäische Öffentlichkeit, die es so noch nicht gibt, in Strasburg nicht mitredet, vom hohen Einsatz « ihrer » Abgeordneter, ausser durch Besuchergruppen, kaum etwas erfährt, sollte bei den Reformbestrebungen berücksichtigt werden. Nun scheint es aber dass über die Auswahl des Kommissionspräsidenten und über die Funktionsweise der Kommission weit mehr Vorschläge vorgebracht werden, als über das Parlament, und seine Funktionsweise. Ob nicht eine Straffung der Arbeitsweise, die künftige Überwachung der Umsetzung europäischer Gesetzgebung in nationales Recht, die Zusammenarbeit mit den nationalen Parlamenten, das Statut der Abgeordneten, von denen manche mehr als 30 Jahre ununterbrochen zwischen ihrem Heimatort, Brüssel und Strasburg gependelt sind, angedacht werden sollten? Wer reformieren will sollte vielleicht auch vor der eigenen Tür anfangen.