Umso verletzender der Umstand, dass konsequent, wenn auch wohl ohne Absicht, einige Opfergruppen immer wieder übergangen werden. So auch im ersten Teil der Stern-Serie zum Kriegsende.
Luxemburg ist genauso wenig, genauso viel ein Zufallsprodukt der Geschichte wie andere Staaten des deutschen Sprachraumes und trotzdem finden sich in vielen Opferlisten des Zweiten Weltkriegs eher die Opfer verirrter Bomberangriffe über der Schweiz wieder als die Verluste Luxemburgs während der Rundstedt-Offensive, des letzten, verzweifelten Aufbäumens der Nazi-Kriegsmaschinerie, die den Wettlauf zum Meer wagte, verlor und dabei unermessliches Leid über die Zivilbevölkerung brachte. Auch die zweimalige Belagerung Maltas, die La Valetta einäscherte, 2000 Menschen den Tod brachte aber den Widerstandswillen ihrer Bevölkerung nicht zu brechen vermochte, wird in solchen Listen gerne unterschlagen. Ist die Zahl der Opfer, ihr Leid oder nur das internationale Gewicht ihrer Heimat nicht gross genug?
Besonders aber der Einwand, Luxemburg sei ja im eigentlichen Sinne keine kriegsführende Nation mit mobilisierten Truppen gewesen, spricht all den Tausenden zwangsrekrutierter junger Männer Hohn, die für den Besatzer ihrer Heimat an der Ostfront eines ungerechten Krieges kämpfen mussten, um ihre Familien zu Hause gegen Verfolgung und Sippenhaftung zu schützen.
Eine Zahl in einer Kolonne bedeutet nichts – der Name davor hingegen verleiht dem Martyrium eines Volkes Stimme und Bewusstsein.
Europas Nationen haben diesen Krieg nicht gewollt, nicht befördert und mussten trotzdem einen hohen Blutzoll bezahlen – sowohl ihre während des Krieges gebrachten Opfer als auch die Anstrengungen Ihrer Nachkommen, ein Europa der Verständigung und Versöhnung aufzubauen, gebieten es, ihre Namen zu erwähnen und ihr Leid nicht zu verschweigen. Leid lässt sich nicht gegeneinander aufrechnen aber es lässt sich benennen.
Eine hochgelobte Ausstellung wie „1945 – Arena der Erinnerungen“, die eben erst im Deutschen Historischen Museum zu Ende gegangen ist, hätte ihren Teil dazu beitragen können und tat es nicht. Die deutsche Publizistik könnte es tun und tut es nicht.
Luxemburg war seinen Nachbarn in den letzten Jahrzehnten stets in zuverlässiger und freundschaftlicher Partnerschaft verbunden: nicht nur auf politischer Ebene, als ehrlicher Makler zwischen französischen und deutschen Interessen, sondern auch mit kulturellen Initiativen, wie der Schaffung eines trinationalen Kulturinstituts im Jahre 2003 oder der aktiven Einbeziehung der Grossregion (für Deutschland das Saarland und Rheinland-Pfalz) in die Vorbereitungen zur Kulturhaupstadt Luxemburg 2007, bemühen wir uns, unseren bescheidenen Beitrag zur Aussöhnung zu leisten. Doch ohne Gedächtnis und Gedenken, ohne Erinnerung und Erwähnung wird dies nicht gelingen.
Wann, wenn nicht jetzt, wer, wenn nicht wir?